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49. Athen unter Pisistratus, nnter seinen Söhnen,
und unter Klisthenes.
Als Solon seine Gesetzgebung beendigt hatte, ließ er die
Athener schwören, zehn Jahre lang nichts an derselben zu än-
dern. Sie sollte erst einen festen Boden gewinnen, die Zweck-
Mäßigkeit derselben durch längere Geltung sich erproben. Und
um jedem Verdachte eigennütziger Absichten zu entgehen, verließ
er Athen und besuchte Aegypten, Cypern und die Staaten
Kleinasiens. In Lydien hatte er die früher erwähnte Unter-
redung mit dem Könige Crösus.
Der Tyrann Pisistratus (560—527). — Allein So-
fon's ebele Zwecke gingen nicht ganz in Erfüllung. Während
seiner Abwesenheit wurde der Parteigeist wieder rege. Die
medere Volksklasse, die durch Solon größere Freiheit, größeres
Ansehen und neue Rechte erlangt hatte, strebte von nun an
immer höher hinaus und wurde sehr übermüthig. Bei jeder
Gelegenheit wollte das Volk die Vornehmen, seine ehemaligen
Unterdrücker, fühlen lasten, daß es nicht mehr von ihnen ab-
hängig sei, daß es eben so gut, wie fte, Theil an der Regie-
rung habe. Die Vornehmen, ohnehin durch die Einschränkung
ihrer alten Vorrechte erbittert, sahen das übermüthige Betragen
des Volkes als eine Herausforderung zum Kampfe an. An der
Spitze der Vornehmen standen Lykurgus und Megäkles,
an der Spitze des Volkes aber Pisistratus, ein kühner,
unternehmender Mann, der bei der Unterstützung des Volkes
nur seinen eigenen Vortheil im Auge hatte. Ehrsüchtig, wie
er war, kannte er kein größeres Glück, als der Erste zu sein
im ersten Staate Griechenlands. Er strebte deshalb nach der
Alleinherrschaft. Es vereinigten sich bei ihm alle Eigenschaften
sowohl des Geistes als des Körpers, die ein solches Streben
begünstigen konnten. Er war der schönste Mann im Volke,
von majestätischem Wüchse; dabei großmüthig, liebreich und
gefällig im Umgange. Die Sanftmuth und Freundlichkeit, mit
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