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Bei dem erweiterten Umfange des Reiches wurden aber der
Geschäfte bald so viele, daß unmöglich einer allein sie besorgen
konnte. Der König sah sich deshalb nach Gehülfen um. Zu
solchen wählte er die redlichsten und erfahrensten Männer, die
das Zutrauen ihrer Mitbürger besaßen. Diese waren seine
Räthe, diese seine Statthalter. An seiner Stelle und nach seiner
Verordnung regierten sie das Volk, wo er nicht selbst zugegen
sein konnte; in ihnen ehrte das Volk seinen König selbst. Die
Liebe und Verehrung, die Jeder seinem Könige widmete, erstreckte
sich auch über die ganze Familie desselben. Der erstgeborne
Sohn war der natürliche Erbe der väterlichen Herrscherwürde,
und für diesen lag hierin ein schöner Antrieb, sich zuvor die
nöthigen Kenntnisse und Erfahrungen für seinen eben so schwie-
rigen als wichtigen Beruf einzusammeln. Durch diese Erblich-
feit der Nachwlge war von selbst auch allen Streitigkeiten vor-
gebeugt, die von anderen Mächtigen um die Erlangung der
Oberherrschaft erhoben werden konnten.
Durch solche und ähnliche Einrichtungen wurde ein immer
engeres und festeres Band um die Zusammenwohnenden ge¬
knüpft. Ungestört konnte jetzt Jeder an seine Arbeit gehen.
Diese vertheilten sie mit der Zeit immer mehr unter sich. An-
fänglich hatte Jeder, was zu seinem Bedarfe nothwendig war,
sich selbst verfertigt. Bald aber kamen besondere Handwerke
auf und führten zu vielen und mancherlei Verbesserungen. Der
Eine beschäftigte sich ausschließlich mit dem Ackerbau, der An-
dere mit der Anfertigung der Ackergeräthe, der Dritte besorgte
die Kleider, und so betrieb Jeder ein bestimmtes Geschäft, wäh-
rend der König als liebender Vater an der Spitze des Ganzen
stand und für das Wohl seiner Untergebenen wachte.
Aber nicht immer sollten sie einer so glücklichen Ruhe ge-
meßen. Ihr Wohlstand, ihr Glück reizte die Eroberungslust
anderer Mächtigen. Es waren damals vorzüglich wandernde
Jäger und Hirten, die unter ihren Stammführern jene minder
kampfgeübte Stämme überfielen und sich unterwarfen. Die
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