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ist reich an inneren staatlichen und kirchlichen Erschütterungen; um
Deutschland haben jene Fürsten keine sonderliche Sorge getragen, dagegen
erwarben sie um ihre Erbländer vielfach große Verdienste.
1. Kaiser Karl IV. (1347-1378).
Der Regierungsantritt dieses Fürsten, auf den man wegen seiner
hohen Bildung allgemein große Hoffnungen setzte, erfolgte unter den
schwierigsten Verhältnissen. Zuerst hatte er sich seines Gegenköniges,
Günthers von Schwarzburg, zu erwehren, den freilich der Tod schon
im Jahre 1349 wegraffte. Nach dem Bürgerkriege aber kam über das
Reich ein anderes, grauenvolles Unglück, gegen welches alle menschliche
Anstrengung sich eitel erwies. Das war „die große Pest" oder „der
schwarze Tod", und in seinem Gefolge „das große Sterben". —
Wie ein Würgengel durchzog die entsetzliche Seuche Europa, besonders
Italien, Deutschland und dessen Nachbarstaaten. Ganze Ortschaften star-
ben aus, weite Landstriche verödeten, und Gesamt-Deutschland verlor
fast die Hälfte seiner Bewohner. Während die einen, voll Mitgefühl
mit den Leidenden, dem Übel durch Errichtung von Pesthäusern und hüls-
reichen Bruderschaften zu steuern suchten, warfen sich andere in wilder
Verzweiflung den zügellosesten Freuden und Zerstreuungen in die Arme,
um im Taumel der Ergötzlichkeiten des drohenden Todes zu vergessen.
In manchen Gegenden gab man den Juden die Schuld am Entstehen der
Himmelsplage und vermehrte den allgemeinen Jammer noch durch eine
blutige Verfolgung dieser Andersgläubigen. Besonders merkwürdig
waren auch die zahlreichen Verbrüderungen der Geißler oder Flagellan-
ten, welche in hellen Haufen Städte und Länder durchzogen, mit Hint-
ansetznng der Zucht und Scham sich öffentlich geißelten, als wenn durch
solche, für Geld öffentlich aufgeführte Bußschauspiele Gottes Zorn hätte
besänftigt werden können. Staat und Kirche traten auch gegen dieses
Unwesen auf. — Nur sehr langsam haben sich Deutschland und die an-
deren heimgesuchten Länder von den schrecklichen Folgen dieser großen
Pest zu erholen vermocht, deren Andenken selbst heute im Volke noch
nicht geschwunden ist.
Auch von anderen Leiden ist damals Deutschland betroffen worden.
In den Städten herrschte ein erbitterter Streit zwischen den reichen Alt-
bürgern und den Neubürgern, die meistens dem Handwerksstande an-