Full text: Auszug aus dem Lehrbuche der Weltgeschichte für Schulen

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nur wenig. Mancher Adelige konnte nicht einmal seinen Namen 
schreiben. Dagegen lernte er von Jugend auf ein wildes Roß 
tummeln und Lanze und Schwert mit Gewandtheit führen. Von 
ihrem Reiterdienste bekamen die Vornehmen den Namen Ritter. 
Mit der Zeit bildeten sie einen besonderen Stand, dessen Blüte 
in die Zeit der Kreuzzüge fällt. Religion, Ehre, Tapferkeit und 
Hochachtung gegen die Frauen waren die vier Haupttugenden der 
Mitglieder. Die Aufnahme der Mitglieder erforderte eine viel- 
jährige Vorbereitung und war mit großen kirchlichen Feierlich- 
ketten verbunden. Schon im siebenten Jahre ward der Knabe 
von adeliger Herkunft in das Schloß eines anderen Ritters ge- 
bracht. Hier wartete er als Bube oder Page bei der Tafel auf, 
hielt seinem Herrn beim Aussteigen den Bügel und übte sich im 
Fechten, Schießen und Rettert, um seinen kleinen Körper gewandt 
und stark zu machen. Im vierzehnten Jahre ward er durch die 
Umgürtung eines Schwertes wehrhaft. Nun hieß er Knappe 
(Knabe) oder Junker. Von nun an begleitete er seinen Herrn zu 
jeder Stunde und zu jedem Geschäfte, zu der Lust der Jagd, der 
Feste und Wassenspiele, so wie in den Ernst der Schlachten. Treue 
Anhänglichkeit an seinen Herrn war die erste Pflicht. Hatte der 
Knappe unter diesen ritterlichen Übungen das einundzwanzigste 
Jahr erreicht, so konnte er zum Ritter geschlagen werden. Zu 
dieser wichtigen Handlung mußte er sich durch Fasten und Beteu 
und durch den Empfang der heiligen Sakramente vorbereiten. 
Man führte ihn zum Altare und ließ ihn schwören: die Wahr- 
heit zu reden, das Recht zu behaupten, die Religion und ihre 
Diener, so wie Witwen und Waisen zu beschirmen und keinen 
Schimpf gegen Edelfrauen zu dulden. Nachdem er dann aus der 
Hand eines Ritters oder einer Edelfrau Sporen, Handschuh und 
Panzer erhalten hatte, knieete er vor einem Ritter nieder, der ihn 
dreimal mit flacher Klinge sanft auf Hals und Schulter schlug. 
Das war der Ritterschlag. Nun schmückte man den jungen Ritter 
auch mit Helm, Schild und Lanze, und führte ihm ein Streitroß 
vor, auf welches er sich sogleich schwang und dasselbe durch die 
frohlockende Menge der Zuschauer tummelte. Glänzende Feste 
beschlossen die Feier des Tages. Von nun an durste er eine er¬ 
hebliche Beleidigung nicht ungerächt lassen. Selbst der Zweikamps
	        
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