Object: Vaterländische Geschichte für Mädchenschulen

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dort mit schlichten Leuten in Verkehr treten konnte. Selten 
ist eine Fürstin so beliebt beim Volk gewesen. Bewun¬ 
dernswert ist ihr Verhalten in den Unglückstagen Preußens. 
Nach den verhängnisvollen Schlachten von Jena und Auer- 
städt mußte sie mit ihren Kindern vou Berlin nach Königs¬ 
berg und von da nach Memel flüchten. Da schrieb sie 
an ihren Vater: „Wir stehen in Gottes Hand, und wir 
gehen mit Ehren unter." Obschon Napoleon sie in einem 
Armeebefehl gekränkt hatte, machte sie diesem doch einen 
Besuch, um bessere Friedensbedingungen zu erlangen; leider 
ohne Erfolg. Es that ihrem Herzen unendlich weh, ihren 
Gemahl ohne Armee und seiner schönsten Länder beraubt 
zu sehen. Nun kam noch ein neues Leid hinzu. Ihre 
beiden Söhne Wilhelm unb Karl erkrankten am Nerven¬ 
fieber und sie selbst auch. Damals schrieb sie in ihr Tage¬ 
buch: „Wer nie sein Brot mit Thränen aß, wer nie die 
kummervollen Nächte auf seinem Bette weinend saß, der 
kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte." Sie fühlte, daß 
zur Rettnug Preußens ein anberer Geist ins Volk kommen 
müsse, und ihrem Einflüsse ist es zuzuschreiben, daß Männer 
wie Stein und Scharnhorst au die Spitze des Landes ge¬ 
stellt wurden. Ihren Söhnen legte sie ans Herz, das 
Vaterland aus der tiefen Schmach zu befreien. Sie selbst sollte 
diese Befreiung leider nicht erleben. Von Königsberg aus 
besuchte sie noch einmal ihren Vater in Hohenzieritz. Dort 
erlag sie am 19. Juli 1810 einem Brustkrampfe. Weinenb 
umstanden ihr Gatte und ihre Kinder das Sterbebett. Sie 
wurde in einem prachtvollen Mausoleum zu Charlotteubnrg 
beigesetzt. 
ö\. Die deutschen Frauen während der Befreiungs¬ 
kriege. 
Das Beispiel und die Tugenden der Königin Luise konnten 
nicht verfehlen, auf die deutschen Frauen den besten Einfluß 
auszuüben. Der allzufrühe Tob bieser eblen Fürstin rief bei 
ihueu Entrüstung hervor über, ben Mann, ber ihr so großes 
Herzeleib zugefügt hatte. Am 10. März 1813, dem Jahres¬ 
tage ihrer Geburt, stiftete ihr Gemahl, Friedrich Wilhelm III.,
	        
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