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kältung zu, infolge bereit seine Kräfte sichtlich abnahmen. Am 8. März
versank er in einen tobesähnlichen Schlaf unb würbe schon tot gesagt. Er
erwachte zwar wieber, aber bte Körperkräfte fchwanben. Unter Gebeten und
Vorlefen von Sprüchen, bte ihn trösteten unb erquickten, entschlief er in
ber Frühe bes 9. März in bem eisernen Felbbette seines prunkloseu Schlaf-
gemaches, umgeben von seinen Lieben, still unb gottergeben. Eine unerhörte
Teilnahme rief bte Nachricht von feinem Tobe in ber ganzen Welt hervor;
am 16. März würbe er seinem letzten Willen gemäß in ber Nähe seiner
erlauchten Eltern im Mausoleum zu Charlottenburg beigesetzt.
3. Wilhelms Persönlichkeit. Kaiser Wilhelm war eine hohe, männlich
schöne Erscheinung unb trug in Haltung unb Austreten bas Gepräge der
militärischen Erziehung, Sicherheit unb Bestimmtheit an sich. Sein scharf
ausgesprochenes Pflichtgefühl ruhte auf einem tiefen religiösen Ernste, ber
sich schon in seinem Konsirmationsgelübbe kuubgab unb, bttrch bte reichen
Erfahrungen seines Lebens geläutert, sich mit seinem ganzen Wesen aufs
innigste verschmolz. Die Festigkeit unb Folgerichtigkeit seines ebeln, vater-
länbisch treuen Charakters grünbete sich auf eine tiefe Demut gegen Gott,
bte ihn vor jeber Selbstüberschätzung bewahrte unb ihn auch bei bert größten
Erfolgen Gott allein bte Ehre geben ließ. War er in ber Beurteilung ber
Pflichterfüllung anberer strenge, so war er barm am strengsten gegen sich
selbst, unb er verabsäumte nie, sich selbst genaue Rechenschaft über fein
Tagewerk zu geben. Dagegen war er als Mensch bte Freunblichkeit selbst,
seinem liebevollen Gemüte war es unmöglich, Fehler nachzutragen; viel-
mehr war er geneigt, bas Beste von attberrt zu glauben, unb sein schönstes
Glück war, anbere still und unbemerkt zu beglücken.
Wie er selbst ein treuer bankbarer Sohn war unb seinen Eltern,
namentlich seiner Mutter Luise, ein stets lebenbiges Anbenken voll unaus-
sprachlicher Dankbarkeit bewahrte, so war er ein lieber Gatte unb Vater
unb sah mit Stolz bert Nachwuchs bes Hohenzollernstamms heranblühen,
wie allerbings auch bas Leiben seines helbenmütigen Sohnes, bes Lieblings
Allbeutschlaubs, noch seine letzten Tage unb Stunben mit Schmerz und
Wehmut erfüllte. Treue um Treue zu halten, war einer feiner höchsten
Grunbsätze; wie er bies bem ganzen Volke bewies, so bethätigte er es be-
sonbers betten; gegenüber, bereit große Verbienste um bas Vaterlanb, um
Volk unb Heer er am besten zu würdigen wußte. Nichts konnte ihn be-
wegen, einen Bismarck ober Moltke von seiner Seite zu lassen, auch wenn
sie selbst um ihren Abschieb baten. Unb wenn einer ber Treuen vor ihm
abberufen würbe, so war er ber erste, ber ihn betrauerte unb sich bemühte,
sein Anbenken in Segen zu erhalten. So stellt sich in seiner Person unb
in seinem Lebensgang ein Bild beutscher Kraft unb Tugenb bar, bas, bitrch
ben Tob verklärt, erzieherisch fortwirkt auf bte Nachwelt unb als heiliges