Full text: Erzählungen aus der Neuzeit (Teil 3)

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aus, hatte dichte und weite Wälder, reichen Wildstand (Auerochsen, Büren 
und Elen), viele und große Landseeen und Sümpfe und vielfach fruchtbaren 
Boden, wo jetzt Sandflächen liegen. Es war stark bebaut und bevölkert 
und hatte viele und große Dörfer, welche durch hölzerne Burgen auf den 
Hügeln geschützt waren. — Die Preußen waren hohe, schlanke Gestalten, 
mit langen blonden Haaren, blauen Augen und riesiger Stärke. Bei ihrer 
einfachen und gesunden Lebensweise hatten sie meist lange Lebensdauer. 
Seit uralter Zeit trieben sie Ackerbau, Viehzucht, Lein- und Wollweberei, 
Töpferei und Schmiedekunst. Nur wenige wohl konnten schreiben. Sie 
rechneten mittels Kerbhölzer oder Knotenriemen; die Zeit bestimmten sie 
nach Monaten, Jahren und bedeutsamen Ereignissen. Ihre Nahrung 
waren besonders Brot und Kuchen, ihr Getränk Bier, Meth und gegorene 
Stutenmilch. Sie liebten Frohsinn, Gesang und gefühlvolle Lieder, waren 
aber von Trunksucht uicht srei. Diebstahl und Untreue bestraften sie mit dem 
Tode; Schlösser und Riegel brauchten sie nicht. Gastfreundschaft übten sie 
srendig und reichlich, auch gegen Gestrandete. Ihre Kleidung war ein¬ 
fach, aus Leinen- oder Wollzeng, sie trugen Schuhe aus Leder oder Bast, 
spitze Pelz- oder Wollmützen. Als Massen führten sie mächtige Streit- 
kenlen, unten mit Blei gefüllt, kleinere Wurfkeulen, steinerne Streitäxte, 
Steinschleudern zz. ic.; erst später und nach dem Vorbilde der Nachbarn 
Schwerter, Spieße, Schilde, Bogen und Pfeile. Die Weiber trugen lange 
Kleider aus farbigem Leinenzeuge, eine Art Mantel, allerlei Schmuck aus 
Metall, Thon und Bernstein; Mädchen durchflochten ihr lauges Haar mit 
Blumen, Frauen schnitten es ab uud deckten den Kops mit Hauben. Ihre 
Religion war ursprünglich Naturdienst, ohne Bilder; sie verehrten Sonne, 
Mond, Sterne und Tiere; auch Haine, Felder, Seeen und Quellen waren 
wohl heilig. Allmählich ward der höchste Gott Perkunos, der durch den 
Donner spricht und mit dem Blitze seine Lieblinge hinaufholt; ihm opferte 
man Tiere oder Gefangene. Viele andere, höhere oder niedere, Götter 
wurden durch zahlreiche Waidelotten (— wissende Männer) oder Seher 
bedient. Eiue Bekehrung versuchte zuerst der Bischof Adalbert von 
Prag 996, wurde aber uahe der Pregelmüudung erschlagen (Grab in Gnesen); 
dann der Mönch Bruno von Querfurt, der (1008) ebenfalls ermordet wurde; 
sodaun, fast zwei Jahrhunderte später, aber erfolgreicher der Cisterzienser- 
mönch Christian von Oliva (KlosterbeiDanzig), der dafür 1215 Bischof 
von Preußen wurde. Gegen einen Aufruhr rief er ein Kreuzheer herbei, 
gegen einen neuen Aufstand gründete er den Orden der Ritterbrüder von 
Dobrin, konnte aber der Aufständischen nicht Herr werden. Da rief er mit 
dem polnischen Herzoge Konrad von Masovien (südöstlich Preußens) 1226 
die Deutscht) er reu zuHilfe. Diese schickten zuerst unter dem Landmeister 
Hermann Balk eine Abteilung, welche die Burg Thorn erbaute und mit
	        
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