Full text: Sagen und Geschichten aus dem Mittelalter (Teil 2)

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Wahl dem römischen Adel und Volke und übertrug es der vornehmsten Geist- 
lichkeit, den Kardinälen. Auch verlangte er, daß die geistlichen Würden, 
Bistümer, Abteien in allen Ländern nicht vom Kaiser, sondern vom Papste ver- 
liehen würden, indem dieser den erwählten und bestätigten Würdenträgern den 
Ring (Zeichen der Vermählung mit der Kirche) und den Stab (Zeichen des 
Hirtenamtes) überreiche. Diese Verleihung nannte man Investitur. Er verbot 
aber auch die Simonie, d. h. Kauf und Verkauf geistlicher Ämter, wodurch 
oft untüchtige und unwürdige Männer zu kirchlichen Stellungen gelangten, und 
gebot den Geistlichen die Ehelosigkeit (Cölibat). Allen diesen Anordnungen 
widersetzte sich Kaiser Heinrich IV., und da sich nun zudem die Sachsen bei dem 
Papste über deu Kaiser beschwerten, so verhängte Gregor den Bann über diesen. 
Damit war Heinrich, der von den Großen des Reiches schon vorher verlassen 
war, von der Kirchengemeinschaft ausgestoßen, und seine Unterthanen wurden von 
dem Eide der Treue gegen ihn entbunden. Der Kaiser, anfangs trotzig, sah sich 
aller Stützen beraubt und war genötigt, sich mit Gregor zu versöhnen oder die 
Krone niederzulegen. 
6. Heinrich in Canossa (1077). Mitten im Winter begab sich Heinrich, be- 
gleitet von seiner edeln, treuen Gemahlin Bertha, seinem dreijährigen Sohne und 
einem treuen Diener, nach Burgund und überstieg unter unsäglichen Mühen und 
Gefahren auf ungebahnten Wegen über Schnee- und Eisfelder die Alpen (Mont 
Cenis). Der Papst, welcher auf der Reise nach Deutschland begriffen war, 
glaubte anfangs, der Kaiser komme mit einem Heere, und flüchtete sich in das 
feste Bergschloß Canossa zu der Markgräfin Mathilde von Tnscien (Tos- 
kana). Heinrich kam aber als Pilger im Büßerkleide und flehte drei Tage lang 
(25.—27. Januar 1077), barfuß im Zwinger stehend, um Lossprechung vom 
Banne. Diese wurde ihm endlich gewährt, aber nur unter der Bedingung, daß 
er sich solange der Regierung enthalte, bis er sich unter Vermittlung des Papstes 
mit seinen Feinden versöhnt habe. Einen solchen Bescheid hatte Heinrich nicht er¬ 
wartet. Er kehrte heim und war entschlossen, gegen seine Widersacher zu kämpfen. 
7. Gregors und Heinrichs Ende. Heinrichs Feinde hatten unterdessen den 
Herzog Rudolf von Schwaben zum Gegenkaiser gewählt; aber Heinrich fand 
auch Freunde; die Städte an Rhein und Donau, manche Adelige und Geist- 
liehe, namentlich sein treuer Freuud Friedrich von Hohenstaufen, dem er dafür 
später Schwaben gab, hielten zu ihm. So besiegte er in der Schlacht an der 
weißen Elster den Herzog Rudolf. Dieser verlor durch einen Hieb die rechte 
Hand; als man sie ihm ans Krankenlager brachte, sagte er reuig: „Es ist die 
Hand, mit welcher ich dem Kaiser Heinrich Treue geschworen habe." Tags 
darauf starb er in Merseburg und liegt im Dome begraben. Jetzt zog Heinrich 
nach Italien, eroberte Rom, belagerte den Papst in der Engelsburg, und dieser 
dankte nUr dem Normannenfürsten Robert Gniskard, zu dem er flüchtete, daß 
er nicht in Gefangenschaft geriet. Bald darauf starb Gregor (1085) in S a-
	        
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