Full text: Sagen und Geschichten aus dem Mittelalter (Teil 2)

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bauten, gereimten Strophen. Unter den vielen Minnesängern ist der bedeutendste 
Walther von der Vogelweide (etwa 1160—1230), geboren in Tirol, gestorben 
und begraben in Würzburg. Nach dem Verfalle des Minnegesangs im 14. Jahr¬ 
hundert wurde die Dichtung als Meistergesang in den Kreisen der Hand- 
werker gepflegt. Unter diesen Meistersingern hat der Schuhmacher H an s S achs, 
der zu Anfang der Neuzeit lebte (1494 bis 1576), den höchsten Ruhm geerntet. 
Er dichtete außer geistlichen Liedern eine große Menge von Erzählungen, 
Schwänken und dramatischen, zur Aufführung bestimmten, Werken. 
VI. Bilder aus der 3ett des Reichsverfalls. 
§ 24. Rudolf von Habsburg, deutscher König. 
(1273—1291.) 
1. Das Interregnum 1256—1273. Nach Konrads IV. Tode (1254) war 
zwar sein jugendlicher Gegenkaiser Wilhelm von Holland rechtmäßiger 
deutscher König; aber er besaß weder Macht noch Ansehen, und als er 1256 
auf einem Zuge gegeu die Friesen in einem Snmpfe umkam, verlangte kein 
deutscher Fürst nach der mißachteten Krone. Von den beiden Ausländern, denen 
die deutschen Wahlfürsten gegen reichliche „Handsalben" ihre Stimmen verkauften, 
kam der Spanier, Alfons X. der Gelehrte von Kastilien, gar nicht nach Deutschland- 
und der Engländer Richard von Cornwallis nur vorübergehend, blieb auch nur 
so lange in einiger Achtung, als seine mitgebrachten Gelder reichten. Das war 
„die kaiserlose, die schreckliche Zeit", in der das Faust- und Fehderecht blühte, 
Gewalt vor Recht ging, Mord und Brand etwas Gewöhnliches waren und 
niemand seines Lebens und Eigentumes sicher schien. Man nennt diese Zeit das 
Interregnum — Zwischen-Königreich. Da verlangte man allgemein nach einer 
starken Hand, die Recht und Gesetz hüte und schütze und dem Unrechte der aus 
dem Stegreife (— Steigbügel), d. h. von der Wegelagerei und Straßenräuberei 
lebenden Raubritter und der Selbsthilfe stenre. Endlich mahnte auch der Papst 
zu einer neuen Königswahl. So berief denn der Erzbischof Werner von Mainz 
als Erzkanzler die deutschen Fürsten zur Wahl nach Frankfurt am Main 
(Sept. 1273). 
2. Rudolfs Wahl. Drei Tage dauerte die Beratung, ohne zum Ziele zu 
führen, weil jeder einen wohlgesinnten und befähigten, keiner einen mächtigen 
Herrn wünschte. Da wurde ihre Wahl auf Rudolf, Grafen von Habs- 
bürg, gelenkt, und zwar traten für ihn empfehlend ein sein Schwager 
Friedrich III. der Zoller, Burggraf von Nürnberg, und der Erzbischof 
Werner. Dieser war ihm zu besonderem Danke verpflichtet, weil ihn der Graf 
Rudolf sicher über die Alpen geleitet hatte, als er sich den erzbischöflichen
	        
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