Stolz Ludwigs XIV.
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entstand das tote, einförmige Wunderwerk, eine prachtvolle Einöde ohne Frische und Jugend,
wie sein Gründer es war. Hier sah man Feste an Feste sich reihen, Theater, an welchen
auch Prinzen teilnahmen, Feuerwerke, italienische Ballets. Dorthin wurde der Adel Frank¬
reichs gezogen und durch Übertragung von Hofämtern von der Gnade der Krone abhängig
gemacht. Es sollte der provinzielle Geist erlöschen, der belebende Atem für ganz Frankreich
nur von dem Hofe von Versailles ausgehen. Französische Garden, Schotten und Schweizer
umgaben den König selbst auf Reisen; eine furchtbare, geheimwirkende, selbst von den Prinzen
von Geblüt gefürchtete Polizei streckte ihre Riesenarme über ganz Frankreich.
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Wasserkünste bei dem Schlosse von Versailles zur Zeit Ludwigs XIV.
Ludwig XIV. hatte keine gediegene wissenschaftliche Erziehung genossen. Allerdings hat
sich seine Mutter, Anna d'Anstria, viel Mühe itm ihren Sohn gegeben. Sie wohnte den
Vorlesungen bei, die man ihm gab, und unterrichtete ihn selber. Sie duldete niemand in
seiner Nähe, von dem er etwas Schlimmes annehmen konnte. Aber der Erfolg entsprach
ihren Mühen nicht. Ludwig arbeitete; aber Ehrgeiz und Stolz war die Triebfeder. Mit
der Geschichte der Gesetzgebung seines Landes war er fast völlig unbekannt. Durch Schmei¬
cheleien war der König zu allen Zeiten zu beherrschen, auch die gröbsten verletzten ihn nicht.
Hohe und edle Gesinnung gewannen ihn nicht, der einzige Weg, ihm zu gefallen, bestand in
kriechender Untertänigkeit. Und doch hatte Ludwig XIV. viel natürlichen Verstand und eine
große Gabe, sich die Gedanken anderer anzueignen. Er wußte sich zierlich und gewandt aus¬
zudrücken, niemals vergab er der äußeren Würde, eilt Verstoß gegen diese galt ihm mehr
als die gröbste Unsittlichkeit. Er sah es gern, wenn seine Minister sich deutschen Fürsten
gleichsetzten, da der Glanz seiner Diener nur ein Ausfluß der eigenen Größe war. Der