Das Heroenzeitalter. 15
Apollo traf ihn mit tödlichem Pfeile in die Ferse (vgl. Hagen und Siegfried).
Die herrlichen Waffen des Gefallenen wurden dem klugen Odysseus zu-
gesprochen, zum großen Ärger des starken Ajax, der darüber in Wahnsinn ver-
fiel und sich selbst entleibte.
Schon begann den Griechen alle Hoffnung zu schwinden, da erschien Philo-
ktet mit dem Bogen des Herkules im Lager. Zwar wurden viele Trojaner,
unter andern auch Paris, der Anstifter des Krieges, von den sicher treffenden
Pfeilen getötet; aber erst durch die List des Odyfseus sollte die Eroberung
der Stadt gelingen. Auf seinen Rat bauten die Griechen ein hölzernes
Pferd von riesiger Größe, in dessen Innerem sich die tapfersten Helden ver-
bargen, während das übrige Heer zum Scheine absegelte. Nach langem Schwanken
zogen die Trojaner trotz der Warnungen des Priesters Laoköon und der
Seherin Kassandra das seltsame Ungetüm in die Stadt. In der folgenden
Nacht entstiegen die bewaffneten Griechenfürsten ihrem dunkeln Versteck und ließen
ihre inzwischen zurückgekehrten Landsleute ein. Ein furchtbares Morden begann,
und bald loderten allenthalben die Flammen empor, welche Jlium in einen
Schutthaufen verwandelten. Der größte Teil der Bevölkerung fand den Tod
oder wurde in die Knechtschaft abgeführt; nur wenige, wie Aneas, entkamen
und suchten sich eine neue Heimat.
e) Die Heimkehr des Agamemnon und des Odysseus. Ähnlich wie
der trojanische Krieg selbst sind auch die späteren Schicksale der überlebenden
griechischen Helden, besonders des Agamemnon und des Odysseus, von der
Sage dichterisch ausgeschmückt worden. Agamemnons Gattin, Klytämnestra,
hatte sich während der langen Abwesenheit ihres Mannes mit Ägisthus ver-
mählt. Als nun der siegreiche König nach Mycene zurückkehrte, wurde er von
dem treulosen Weibe mit Hilse ihres Buhlen meuchlings umgebracht. Aber die
Tochter des Unglücklichen, Elektro, schwur den Mördern Rache. Sie flüchtete
ihren kleinen Bruder Orestes zu einem Verwandten und harrte der Zeit, wo
er zum Jüngling herangereift sein würde. Acht Jahre später kehrte Orestes mit
seinem Freunde Pylädes zurück und erschlug den Ägisth und die Klytämnestra.
Mit dem Fluche des Muttermordes beladen, wurde er in Wahnsinn versetzt und
von den furchtbaren Erinnyen (Rachegöttinnen) versolgt. Um ihn zu entsühnen,
gab ihm Apollo den Austrag, das Bild der Artemis aus dem Lande der Taurier
zu holen. Orestes tat, wie ihm befohlen, und brachte auch seine Schwester
Iphigenie wieder in ihre Heimat.
Von dem Schicksale des Odysseus, der erst nach einer zehnjährigen Irrfahrt
zu den Seinigen zurückkehrte, erzählt die Homerische Odyssee. Mit zwölf wohl-
bemannten Schiffen trat er die Heimreise an. Der. Wind trug ihn an die
thrazische Küste, wo er durch einen plötzlichen Überfall der Eingeborenen
72 seiner Gesährten verlor. Von da wandte er sich südwärts. Beim Vor-
gebirge Malea (Südspitze Lakoniens) erfaßte ein Sturm die Schiffe und schleu-
derte sie an das Gestade der Lotophagen (in Afrika), welche sich von der
honigsüßen Lotosblume nährten. Nur mit Mühe konnte Odyffeus die aus Kund-
schast ausgesandten Gesährten zur Weitersahrt bewegen: so sehr hatte die wohl-
schmeckende Frucht ihre Sinne berückt. Von der gastlichen Küste der Lotosesser
gelangten die Griechen nach dem unwirtlichen Lande der Cyklopen. Es waren
dies menschenfreffende Riesen mit einem Auge auf der Stirne, Von zwölf