16 I. Die Geschichte der Griechen.
Gefährten begleitet, ging Odysseus in die Höhle eines der Ungeheuer, mit Namen
Polyphem. Dieser verschloß den Eingang mit einem gewaltigen Felsblocke
und verschlang sechs von den Fremdlingen; mit den übrigen rettete sich der
„Erfindungsreiche" durch eine klug ersonnene List.
Nicht weit vom Cyklopenlande wohnte der König der Winde, Äölus, der
dem Odysseus alle widrigen Winde in einem Schlauche gebunden übergab und
den Schissen günstigen Fahrwind sandte. Unterwegs, als der Held in Schlaf
versunken war, öffneten die Gefährten aus Neugierde den Schlauch und entfesselten
dadurch einen furchtbaren Sturm. So wurden die Jrrfahrer im Angesichte
Jthakas wieder nach der Insel des Äolus zurückgeworfen, der die Unglücklichen
zornig abwies. Einige Tage nachher landeten sie an der Küste der Lästrygonen,
die den Cyklopen an Größe und Wildheit nichts nachgaben. Elf Schiffe wurden
von den Riefen mit Felsblöcken zertrümmert, die Bemannung zum großen Teil
erschlagen und ausgezehrt. Mit einem einzigen Schiffe und nur wenigen Ge-
fährten erreichte Odysseus die Insel der Zauberin Circe. Diese veranlaßte den
„göttlichen Dulder", die Unterwelt auszusuchen, wo ihm der Seher Tiresias
Auskunft über feine künftigen Schicksale gab. Im dunkeln Reiche der Schatten
begegneten ihm auch die vor Troja gefallenen Helden und seine inzwischen ge-
storbene Mutter.
Nach der Rückkehr auf die Oberwelt empfing er von der gastfreundlichen
Circe Belehrungen über die Gefahren der weiteren Reise, und so steuerte er denn
glücklich an dem Eilande der lockenden Sirenen vorbei durch die Scylla
und Charybdis (in der Straße von Messina) nach der Insel Thrinakia
(Sizilien). Hier ließen sich die Geführten trotz seiner Warnungen dazu ver-
leiten, die heiligen Rinder des Sonnengottes zu schlachten. Deshalb
zerschmetterte bei der Weiterfahrt ein Sturm das Schiff, aus dessen elenden
Trümmern Odysseus allein die Insel der Nymphe Kalypso erreichte. Dort
blieb er sieben Jahre, ohne die liebe Heimat zu vergessen, bis endlich die Götter
dem Drängen der Athene nachgaben und seine Rückkehr beschlossen. Auf einem
selbstgezimmerten Floße litt er noch einmal Schiffbruch, gelangte jedoch mit gött¬
licher Hilfe an das Gestade der gastfreundlichen Phääken, die ihn in einem
fchnellstgelnden Schiffe nach Jthaka brachten.
Während seiner langen Abwesenheit hatten seine treue Gattin Penelöpe
und sein verständiger Sohn Telemach unter den schwersten Drangsalen zu
leiden. Zu dem Kummer um den in ber Ferne weilenden Helden gesellte sich
der Gram Über bas wüste Treiben ber Edeln bes Lanbes, welche als Freier
ber Penelope im Palaste bes Obysseus schalteten und seine Habe verzehrten.
Dieser traf im Hause des treuen Sauhirten Eumäus mit seinem Sohne zu-
sammen und verabredete mit ihm die Bestrafung der Übermütigen. Als
Bettler verkleidet erschien er unter ihnen, und nachdem er in einem Wettschießen
mit dem Bogen den Preis gewonnen, richtete er die tödliche Waffe gegen sie
und streckte sie alle zu Boden. Dann gab er sich seiner Gemahlin zu erkennen.
Inzwischen griffen die Verwandten der getöteten Freier zu den Waffen. Aber
Athene trat für ihren Schützling ein und stiftete Versöhnung zwischen
Fürst und Volk.