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XI. Didaktisches. 
gesuchte kein aufgeklärtes schreibendes Volk bekannt sei, welches im Ganzen so schlecht 
mit seiner Sprache umgegangen, welches so nachlässig, so unbekümmert um Richtigkeit, 
Reinheit und Schönheit, ja, welches so — liederlich geschrieben habe, als bisher unser 
deutsches Volk." Was ist es anders, als die Wiederholung eines alten Vorwurfs, den 
uns schon Otfried im neunten Jahrhundert machte? „Diese Sprache wird für bäuerisch 
gehalten, und selbst die, welche sie reden, haben sie zu keiner Zeit, weder durch Schrift, 
noch durch Kunst vollkommen zu machen gesucht, indem sie weder die Geschichte ihrer 
Voreltern, wie es viele andere Nationen thun, schriftlich verzeichnen, noch ihre Thaten 
und Leben erheben. Wenn sie auch dieses thun, welches >) doch selten geschieht, so 
brauchen sie vielmehr die Sprachen anderer Völker, das ist der Lateiner oder Griechen. 
Sie hüten sich, in diesen schlecht zu schreiben, und scheuen es in der ihrigen nicht; sie 
getrauen sich nicht, in den erstern durch einen Buchstaben gegen die Kunst zu verfehlen, 
und in ihrer eigenen geschieht es bei jedem Worte. Eine wunderliche Sache, daß so 
große Männer alles dieses fremden Sprachen zu Ehren thun, und die eigene nicht 
schreiben können." Billig sollte, wer ans Volk reden und schreiben muß, sich vorher die 
Gabe der Volksfaßlichkeit 2) erwerben. Es sollte jeder Staatsbürger seine Meinung 
verständlich vortragen lernen in mündlicher Rede und Schrift. Wer die Muttersprache 
gründlich gelernt hat, findet sich leichter in allen andern Sprachen zurecht; zu den 
Büchern der Welt steht der Zugang ihm frei und offen. 
Gesang einer lebendigen Sprache übertönt das bloße Lautwerden einer nur 
leb enden 3). Dichtungskraft und schöne Singbarkeit schmücken die unsere mit ur¬ 
sprünglicher Schönheit. Der zu bescheidene Deutsche glaubt sich nur selbst sein 
Gutes nicht, traut kaum sogar der That. Die Aussage eines Fremden, den ein deutscher 
Mann abgehört hat, wird hoffentlich Selbstvertrauen und Selbstzuversicht stärken. 
Schon vor einigen Jahren wunderte sich ein welscher (italienischer) Tonkünstler 
über das Vorurtheil der Deutschen gegen die Geschicklichkeit ihrer Sprache zum hohen 
lyrischen Gesang und zur musikalischen Sprechkunst. Er behauptete, der Vorzug der 
welschen Sprache vor der unsrigen in Absicht auf die Singbarkeit sei lange nicht so groß, 
als man sich einzubilden pflege. Denn damit eine Sprache musikalisch sei, käme es 
weniger darauf an, daß sie sich wegen häufiger A, E und O leicht aussprechen und 
singen lasse, als darauf, daß sie alle Arten von Bildern, Bewegungen, Empfindungen 
und Leidenschaften durch Worte (die dem Ohre etwas mit dem Gegenstände Überein¬ 
stimmendes eindrücken) zu bezeichnen geschickt sei. Und dies als einen unläugbaren 
Grund vorausgesetzt, würde es bei näherer Vergleichung schwer fallen, zu entscheiden, 
welche von beiden Sprachen zur dramatischen Musik die tauglichste wäre. Die unsrige 
besitze eine Menge nachahmender Töne, eine Menge von sanften, und einen noch größern 
Reichthum an schallenden, prächtigen, den majestätischen und furchtbaren Auftritten in 
der Natur, und den stärkern Bewegungen der Seele angemessenen Worten und Aus¬ 
drücken^); so daß ein verständiger Tonsetzer das, was sie vielleicht an Weichheit und 
Süßheit gegen die welsche verliere, an der Stärke und dem Nachdrücklichen, so sie vor 
derselben voraus habe, reichlich wieder gewinnen könne. Kurz, unverblendet von Partei¬ 
lichkeit für seine Muttersprache, behauptete dieser einsichtsvolle Mann, es werde nur darauf 
ankommen, daß ein deutscher Dichter (der sich seiner Sprache zu bedienen wisse und die 
Kunst besitze, so viel Wohlklang und Takt in seine Verse zu bringen, daß das bloße 
Sprechen derselben schon eine Art von Musik sei) sich mit einem Tonsetzer vereinige, der 
den Dichter völlig empfinde und verstehe, und in seinem Fache das sei, was jener in dem 
seinigen: so würden sie der deutschen Sprache und Musik einen Triumph verschaffen 
1) S. S. 83. A. 2. — 2) Dafür gebraucht man leider! viel lieber das fremde Wort „Populari¬ 
tät". — 3) Lebend = ©cts ein als beseeltes Wesen habend; leb endig — viel Leben habend und 
zeigend, ltber lebendig, früher lebendig s. Schulgr. 8- 167. Kl. Gr. 8- 96. — 4) Logan 
sagt von der deutschen Sprache: „Kann die deutsche Sprache schnauben, schnarren, poltern, don¬ 
nern, krachen, Kann sie doch auch lieblich scherzen, liebeln, güteln, kürmeln (schmeichelnd lallen), 
lachen."
	        
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