Full text: Leitfaden der deutschen Geschichte für die mittleren Klassen (Teil 2)

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Zeitalter Wilhelms I. und Bismarcks. Seit 1861. 
der Prinz Wilhelm, zuerst in einer Art von Stellvertretung, dann als 
1861 (1857)-1888 Regent, und als am 2. Januar 1861 sein Bruder starb, als Köniq 
König Wilhelm 1 9Bisfl(>stt1 T 
von Preußen. 'CÜUJ^4<m *- 
2. Am 22. März 1797 geboren, stand er damals im 64. Jahre: 
in seinem Charakter völlig ausgebildet durch die Schule des Lebens. 
Schon als Knabe in der Not des Elternhauses und Staates (S. 193), 
dann als Jüngling in dem Verzicht auf seine Liebe zur holdseligen 
Elise Radziwill an Entsagung gewöhnt und auch in seinem Mannesalter 
doch immer als der zweite neben seinem königlichen Bruder in den Hinter¬ 
grund gedrängt, hatte er, gekräftigt durch seine geradezu kindliche Frömmig¬ 
keit, es gelernt, nicht eignen Wünschen zu folgen, sondern zu 
thun, was die Pflicht von ihm forderte. Für den Soldatenberuf 
erzogen, blieb er auch nach seiner Thronbesteigung der furchtlose Offizier, 
als der er sich bei seiner ersten Waffenthat bewiesen hatte (S. 212), 
bereit, den Weg, den Pflicht und Ehre ihm vorschrieben, ohne Rücksicht 
auf Gefahren zu gehen. Dabei war er „jeder Zoll ein König", von 
ebenso großer äußerer Einfachheit wie innerer Schlichtheit und Seelen¬ 
größe, als Staatslenker von „fast irrtumloser Menschenkenntnis": schon 
damals eine Verkörperung der Tugenden, die nach seinem Ableben sein 
Kanzler von ihm gerühmt hat, „heldenmütiger Tapferkeit, nationalen 
hochgespannten Ehrgefühls, treuer, arbeitsamer Pflichterfüllung im Dienste 
des Vaterlandes und der Liebe zum Vaterlande". 
3. Und doch wurde er von einem Teile seines Volkes verkannt. 
Dieser konnte weder die Vorgänge von 1848 (S. 220) vergessen, die 
den Prinzen Wilhelm zu einer schnellen Flucht nach England genötigt 
hatten, noch dessen militärische Thätigkeit im Jahre 1849 (S. 226), 
nach der er dauernd seinen Hof in Coblenz aufschlug. Ihm galt der 
König daher als Gegner der Volksrechte und als Anhänger eines absoluten 
Königtums. Daran war aber nur das eine richtig, daß er allerdings 
die Rechte, die dem preußischen Könige verfassungsmäßig geblieben waren, 
ungeschmälert zu erhalten und auszuüben willens war. Diese Absicht 
gab er seinem Volke auch äußerlich dadurch zu verstehen, daß er als 
der erste Preußenkönig seit der Begründung des Königtums sich und 
seiner Gemahlin, der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar, die ihm 
bereits am 18. Oktober 1831 einen Sohn, Friedrich Wilhelm, und mehrere 
1861a. 18.Oktober Jahre darauf noch eine Tochter geschenkt hatte, am 18. Oktober 1861 
ÄKt ft<%m i" Königsberg mit allem Pomp die Krone aufs Haupt setzte. Im 
Königsberg zum übrigen gehörte vielmehr zu den ersten Thaten seiner Regentschaft die 
Preußen." Berufung eines volksfreundlichen Ministeriums, in dem der tüchtige, 
redegewandte General Albrecht von Roon das Kriegswesen übernahm. 
Die Landtagswahlen fielen im Sinne dieses Ministeriums aus: eine 
„neue Ära" schien in Preußen angebrochen zu sein. Wilhelm selbst 
aber gedachte die günstige Stimmung auszunutzen für die Durchführung
	        
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