188 Alte Geschichte. 3. Periode. Macedonier.
Die bei Jssus gemachte Beute war so groß, daß seit der Zeit
die bisherige Genügsamkeit an Alexanders und seiner Offiziere
Tafel verloren ging. Er selbst war oft der Mäßigste von Allen;
er trank selten viel, aber er saß gern lange beim Glase Wein und
prahlte dann von seinen Thaten auf eine unausstehliche Weise.
Mit vollen Händen theilte er das Geld unter seine Soldaten aus,
die ihn dafür bei jeder Gelegenheit hoch leben ließen, und er war
nie froher, als wenn er Alles um sich herum recht lustig sah. Bald
aber merkten ihm seine Begleiter die Schwäche ab, daß er sich gern
schmeicheln lasse, und nun erhoben sie ihn bis zu den Göttern; ja,
seine Thaten wurden noch höher gesetzt als Alles, was Perseus,
Theseus, Herkules und andere Heroen gethan hatten. Unvermerkt
wurde dadurch sein Verstand bethört und der unbändige Stolz er¬
zeugt, der ihn von nun an nicht wieder verließ. Für sich selbst
hatte Alexander das Wenigste aus der Beute behalten, nur Einiges
wie zum Andenken. Darunter war ein reichlich mit Edelsteinen
besetztes und sehr künstlich gearbeitetes Kästchen, in welchem Darins
wohlriechende Specereien zu bewahren pflegte. Alexander warf
diese heraus. „Ich will," sagte er, „etwas Kostbareres hinein¬
legen; denn Specereien brauche ich nicht." Und was legte er
hinein? — Homers Ilias, und zwar das von Aristoteles durch¬
gesehene Exemplar.
Den Darms ließ er für jetzt los und zog an der Küste des
mittelländischen Meeres hinunter. Da kam er nach dem handel¬
treibenden Phönicier:, dessen Hauptstadt Tyrus vor 270 Jahren
von Nebukadnezar zerstört, seitdem aber auf einer gegenüberliegen¬
den Insel wieder aufgebaut worden war. Die Tyrier wollten ihn
nicht in ihre Stadt lassen; das machte ihn nur noch hitziger, und
er schwur, an der Stadt nicht vorbeizugehen. Sogleich wurden
Anstalten zur Belagerung gemacht; die Tyrier glaubten sich sicher;
denn zwischen der Stadt und dem festen Lande war ein ziemlich
breiter Meeresarm. Aber sie kannten Alexander nicht, der sich
durch keine Hindernisse abschrecken ließ. Auf feinen Befehl mußten
viele Taufend Arbeiter Erde und Steine in das Meer schütten und
so einen Damm bis zur Tyrusinfel anlegen. Voll Staunen und
Schrecken sahen die Einwohner die kühnen Macedonier immer näher
herankommen, und nach sieben Monaten waren diese drüben auf
der Insel. Nun begann der Sturm; aber Alexander fand einen
Widerstand, wie er ihn nicht erwartet hatte. Die Tyrier standen
auf den Mauern, Gefäße mit glühendem Sande in den Händen,