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Mittlere Geschichte. 1. Periode. Griechen. 
bis mit der Zeit die Nachfrage darnach immer stärker wurde und 
endlich auch eitle Männer sich seidene Kleider zulegten. Sie waren 
aber noch so theuer, daß man sie mit Gold aufwog; kein Wunder, 
wenn man den ungeheuer weiten Weg bedenkt, den die Karavanen 
von China bis nach Phönicien zurücklegen mußten; denn die 
thätigen Phönicier waren es wieder, die den Seidenhandel an sich 
gerissen hatten. Da nun nach der Seide, als Modeartikel, so viel 
Nachfrage war und manche Familien wohl verarmten, weil sie der 
Lust, seidene Kleider zu kaufen, nicht hatten widerstehen können, 
so dachte Justiuian darüber nach, wie er wohl die Seide auf eine 
wohlfeilere Weise nach Europa schaffen könnte, als' sich bei ihm 
zwei Leute melden ließen, die ihm ein wichtiges Geheimniß zu ent¬ 
decken hätten. Er ließ sie vor. .Es waren Mönche, die aus 
China*) kamen, wohin sie eine Reise gemacht hatten, um die 
Chinesen zum Christenthnme zu bekehren. Beiläufig hatten sie auch 
die Seidenwürmer bemerkt, die Bereitung der Seide beobachtet, 
und jetzt kamen sie, dem Kaiser den Vorschlag zu machen: sie noch 
einmal Hinreisen zu lassen, um zu versuchen, ob sie nicht einige 
Eierchen der Raupe nach Europa bringen könnten. Jnstinian 
munterte sie natürlich dazu auf und gab ihnen Reisegeld mit. 
Wirklich glückte es auch den verschmitzten Mönchen, eine Menge 
Eierchen in ihren hohlen Reisestäben zu verbergen und damit un¬ 
versehrt zurückzukommen. Die kostbare Brut wurde glücklich er¬ 
halten; man gewann Cocons, und Jnstinian ließ sogleich die Seiden¬ 
bereitung in Constantinopel, dann in einigen Städten Griechenlands 
einrichten. Dadurch wurde der Grund zu den vielen Seiden- 
manusacturen gelegt, die wir jetzt in Europa finden.**) 
Noch ist Einiges von Jnstinians Frau, der Kaiserin Theo¬ 
dora, zu erzählen. Sie war von niederer Geburt, früh des 
Vaters, eines Aufsehers über die zu den Wettspielen bestimmten 
Bären, beraubt worden und hatte sich mit ihren Schwestern als 
Schauspielerin ernährt. Schon an sich war damals dieser Stand 
ganz verachtet; obendrein aber spielte sie die Rolle eines Possen¬ 
reißers und brauchte nur aufzutreten, um das ganze Hans von 
lautem Gelächter wiederhallen zu machen. Dabei war sie aber ans- 
*) Man vermuthet, daß es dieses Land gewesen sei; doch nehmen Einige 
Indien dafür an. 
'**) Doch blieb die Bereitung der Seide in Europa bis in das 12. Jahr¬ 
hundert auf Griechenland beschränkt. Dann erst ist sie in Italien, Spanien, 
Frankreich u. s. w. eingeführt worden. (Siehe Abschnitt 64, Erfolge der Kreuzzüge.)
	        
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