Dasjenige, was in diesem Zustande des Gemüts hervorgebracht wird, muß 
notwendig eine höhere Vollkommenheit erhalten. 
„ Helvetius macht die Bemerkung, daß der allereingeschränkteste Kopf doch 
'ählg ist, eine unmittelbare Folgerung aus einem Satze zu begreifen, auch 
^ahl selbst eine solche Folgerung zu ziehen. Nun besteht aber der schwerste 
und weitläufigste Beweis, der in den Werken Newtons zu finden ist, aus 
Lauter solchen unmittelbaren Folgerungen, — nur aus einer sehr langen Reihe 
derselben. Es gehört keine größere Geisteskraft dazu, tausend Schlüsse, als 
einen einzigen zu machen. Nur eine weit größere Beharrlichkeit in der An¬ 
wendung dieser Kraft ist zu dem ersten als zu dem andern notwendig. -t.er 
Unterschied also zwischen einem gemeinen Kops und dem Genie eines Newton 
desteht vorzüglich darin, daß dieser einer weit länger anhaltenden Aufmerksamkeit 
knhig ist als jener; daß Newton nicht ermüdet, Schluß an Schluß in einer aus 
^ bestimmtes Ziel fortlaufenden Richtung zu reihen, der Mensch von geringen 
Zähigkeiten dagegen den Faden, den er zu spinnen kaum angefangen hat, in 
kurzem abreißt oder fallen läßt. 
Plato erzählt von Sokrates, daß er so lange Speise, Trank und Schlaf 
Und alles vergessen habe, bis er mit der Untersuchung, die er vorhatte, zum 
Äele gekommen sei oder doch in ihr einiges Licht erblickt habe. Newton, da 
est seine principia philosopliiae schrieb, brachte mehrere ^age ununterbrochen 
^ seiner Arbeit zu, während er sich nur von Wasser und Zwieback nährte. 
Es ist unstreitig, daß sich der Horizont unserer Jdeeen immer schneller 
s^^d schneller erweitert und daß sich neue immer häufiger an die alten knüpfen, 
w länger das Auge des Geistes auf demselben Gegenstände verweilt. Wer seine 
Meditationen oft zu unterbrechen und erst nach Zwischenräumen, die mit andern 
Beschäftigungen ausgefüllt sind, zu ihnen zurückzukehren genötigt ist, bringt 
gemeiniglich Ritzen und Fugen in sein Werk. Das Wiederaufnehmen des 
Ladens ist oft ebenso schwer als der erste Ansang der Arbeit, und man wird 
lMmer eine gewisse Schwäche in den Gedanken oder eine Schwierigkeit im 
Ausdruck an denjenigen Stellen eines Buches gewahr, wo der Autor nach 
^nger Beseitigung seiner Materie sich wieder in sie hineinzudenken sucht und 
dach noch nicht für sie erwärmt ist. Bald ist es die Richtigkeit des Zusammen¬ 
hangs, welche durch solche in der Meditation gemachte Ricken gestört, bald ist 
^ oder Zufluß der Jdeeen, welcher dadurch gehemmt wird. __ 
Es ist daher die Eigenschaft dichterischer und philosophischer Köpfe, daß ste 
den Stoff ihrer Werke oder den Gegenstand ihrer Untersuchungen mit stch 
herumtragen und tage- und wochenlang verfolgen können, ohne durch die 
gemeinen Geschäfte des Lebens oder der Geschäfte davon abgebracht zu werden. 
Sehr viel von dieser Beharrlichkeit im Verfolgen einer einmal angefangenen 
Eedankenreihe ist Naturgabe, Größe der angeborenen Kraft. Aber etwas 
sännen gewiß auch Vorsatz, Übung und Fleiß dazu beitragen. Und es gehött 
daher unter die Vorbereitungen des Selbstdenkens, daß ein junger Mann stch 
gewöhne, seine Aufmerksamkeit nur auf eine Sache und auf diese so lange zu 
Achten, bis er mit ihr zu einem gewissen Ziele gekommen ist; — daß er stch 
Ülbst einigen Zwang anthun lerne, um bei einer und derselben Arbeit eine 
geraume Zeit auszuhalten. Auch die mittelmäßigsten Köpfe können aus diese 
^eise etwas ausrichten, und die guten können dadurch allein große Dinge zu- 
Nande bringen.
	        
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