Object: Vaterländische Helden und Ehrentage im Spiegel deutscher Dichtung

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Hat einer wohl vernommen, was, als die Wurzel brach, 
Im Herzen tief beklommen zuletzt die Tanne sprach? 
Ein Wiederhall vernahm es, der trug von Ziel zu Ziel 
Es weiter, und so kam es hier in mein Saitenfpiel. 
So sprach die alte Tanne: „Ich stehe nun die Zeit 
Hier eine lange Spanne in dieser Einsamkeit, 
Von dieses Berges Gipfel mich streckend in die Luft; 
Es webt um meine Wipfel noch der Erinn'rung Duft. 
Ich sah in alten Zeiten die Kaiser und die Herr'n 
Im Lande zieh'n und reiten; wie liegt das heut' so fern! 
Da möcht' ich wohl mit Rauschen sie grüßen in der Nacht 
Und mit den Wipfeln lauschen Gespräch von deutscher Macht 
Dann kam die Zeit der Irrung, des Abfalls in das Land, 
Voll schmählicher Verwirrung; da ich gar traurig stand. 
Es klirrten fremde Waffen, es zuckte mir durchs Mark, 
Ich sah die Zeit erschlaffen und blieb kaum selber stark. 
Den Himmel sah ich säumen ein nettes Morgenrot; 
Es scholl aus fernen Räumen der Freiheit Aufgebot. 
Ich sah auf alten Bahnen die neuen Deutschet! geh'tt, 
Die lang' entwöhnten Fahnen vom Rheinstrom her mir weh'u. 
Da schüttelten die Winde mein altes Haupt int Sturm; 
Vor Schreck entsank der Rinde, der sie genagt, der Wurm: 
Nun werden deutsch die Gauen vom WaSgau bis zur Pfalz, 
Und wieder wird matt bauen hier eine Kaiserpfalz! — 
Doch als das große Wetter eilfertig, ohne Spur 
Wie WittdeShmtch durch Blätter dahier vorüber fuhr: 
Mein Wipfel ist geborsten; es wird nicht mehr der Aar 
In diesen Forsten horsten, der meine Hoffnung war. 
Lebt, Adler, wohl, und Falken! Ich fall' in Schmach und Graus 
Und gebe keinen Balken zu einem deutschen HctttS; 
Man wird hinab mich schleppen und drunten aus mir nur 
Verseh'n mit neuen Treppett Mairie und Präfektur. 
Doch, jüng're Waldgeschwister, Ihr hauchet frisch belaubt 
Teilnehmendes Geflüster um mein erstorb'nes Haupt; 
Euch alle sterbend weih' ich zu schön'rer Zukunft ein, 
Und also prophezei' ich, wie fern die Zeit mag fein:
	        
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