Full text: Geschichte des Altertums bis zur Begründung des Römischen Kaiserreiches (Band 1, [Schülerband])

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Kleons Ansehen wurde durch diesen Erfolg außerordentlich befestigt. Das Volk 
hrte ihn mit lebenslänglicher Speisung auf Staatskosten und mit einem Ehrensitz 
Im Theater. Er hielt sich seither auch für einen großen Feldherrn, bezahlte aber diesen 
Glauben wenige Jahre später mit dem Tod in dem unglücklichen Gefechte bei 
Amphipolis gegen den Spartaner Brasidas, der den Kriegsschauplatz an die 
thrakische Küste verlegt hatte, Da hier auch Brasidas gefallen war, kam in Sparta 
und in Athen die Friedenspartei in die Höhe. Nikias vermittelte einen Frieden auf 
50 J ahre, der die Besitzverhältnisse vor dem Kriege wieder herstellte (421). 
Der sizilische Kriegszug (415—413). Die Kriegsgefahr blieb jedoch weiter bestehen. 
Denn der Friedensschluß hatte weder eine ernstliche Versöhnung angebahnt noch die 
Ursachen, die vor einem Jahrzehnt den Krieg unvermeidlich gemacht hatten, aus 
der Welt geschafft. Allein die Gegner rafften sich nicht sobald wieder zum Angriff 
auf, Es lag an Athen, sich vorläufig mit dem Erreichten zu begnügen und im Frieden 
alle Kräfte zum neuen Waffengange zu sammeln. Dies aber war nicht die Meinung 
des Alkibiades, der jetzt in Athen in die vorderste Reihe trat. 
Alkibiades, der fürstlich reiche Sproß des Alkmeonidenhauses!), war von der Natur ver- 
Schwenderisch mit herrlichen Gaben des Körpers und des Geistes begnadet. Schon den Jüngling 
Vergötterte ganz Athen und verzieh ihm seine vielen tollen Streiche. Als Mann erwies er die Über- 
Cgenheit seines Geistes, die Vielseitigkeit seiner Talente in der Volksversammlung, die er durch seine 
Beredsamkeit bezwang, wie im diplomatischen Verkehr mit dem Ausland, in der Landschlacht wie 
m Seekriege, bei den Wettspielen wie in der geistreichen Unterhaltung. Wenn er doch nicht, wofür 
Alles sprach, der Nachfolger seines Vormundes Perikles geworden ist, so liegt dies daran, daß ihm 
die edelste hellenische Eigenschaft fehlte, das harmonische Gleichmaß. Er war ein echter Schüler 
der Sophisten und selbst die Freundschaft, die ihn vorübergehend mit Sokrates verband, konnte ihn 
rem verderblichen Einfluß nicht entziehen. Über seinem Willen kannte er kein Gesetz. 
Das verhängnisvolle Unternehmen, zu dem Alkibiades seine Mitbürger drängte, 
Wär der sizilische Feldzug. Zur Förderung seines gewinnreichen Handels mit. Sizilien 
ünd Italien hatte Athen mit großgriechischen Städten Bündnisverträge abgeschlossen, 
Seriet aber damit in scharfen Gegensatz zu Syrakus, das auch nach dem Sturze 
der Tyrannis den Rang der ersten Stadt Siziliens behauptete und seinen Machtbereich 
Politisch und wirtschaftlich auszubreiten suchte. Eine der von Syrakus bedrohten, 
Mit Athen verbündeten Städte bat um Hilfe und fand den eifrigsten Fürsprecher 
1 Alkibiades. Es kostete nicht viel Mühe, den Athenern ein solches Unternehmen 
Mündgerecht zu machen. Lehnten sie die Hilfe ab, dann mußte ihr Ansehen bei 
don Westhellenen Schaden leiden. Ihr Selbstvertrauen ließ sie auf einen leichten 
Sieg über die geringgeschätzten Syrakusaner rechnen, zumal von anderen sizilischen 
Städten Hilfe zu erwarten war. Der Besitz der reichen Insel mußte den Kassen des 
Staates, den Einnahmen der Bürgerschaft gewaltige Zuschüsse zuführen. Endlich war 
Athen, sobald es Sizilien beherrschte, in der Lage, den Peloponnesiern die Zufuhr 
Vollkommen abzuschneiden und so doch zu dem ersehnten Ziele — der Herrschaft 
über Hellas — zu gelangen. 
In Wirklichkeit war die Heerfahrt der schwerste Fehler. Athen entsendete einen 
SToßen Teil seiner Streitkräfte zu einem kostspieligen Feldzug in weit entlegene Gegen- 
den, obwohl es daheim von erbitterten Feinden umgeben war, die jeden Augenblick 
1bermals losschlagen konnten, und obwohl sein eigenes Reich soviel unzuverlässige 
‘) Seine Mutter war eine Urenkelin des Kleisthenes.
	        
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