Frankreich als Republik. 
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115. Schreckenszeit in Frankreich. 
In den folgenden Tagen nach der Gefangennehmung des 
guten Königs wurde von den Jacobinern eine solche Menge von 
Edelleuten, Geistlichen, Magistratspersonen und Gelehrten gefangen 
gesetzt, daß die gewöhnlichen Gefängnisse nicht mehr zureichten. 
Damit aber noch nicht zufrieden, beschloß die Versammlung auf 
Dantons*) Vorschlag, alle Häuser in Paris genau durchsuchen 
zu lassen, ob sich verdächtige Menschen darin befänden. Das war 
ein Geschäft für den unmenschlichen Robespierre. Die Thore 
wurden geschlossen, der Generalmarsch geschlagen, alle Straßen -mit 
Wachen besetzt und nun befohlen, daß jeder bei Todesstrafe von 6 Uhr 
an zu Hause sein müßte. Das war eine fürchterliche Nacht! In der 
ganzen Stadt herrschte Todtenstille, die nur durch den Tritt der 
Wachen und durch das Wimmern und Wehklagen der Familien, 
denen man geliebte Personen entriß, unterbrochen wurde. Dann 
wurde ein Blutrath niedergesetzt, die armen Gefangenen zu verur- 
*) Dieser Danton gehörte zu den größten Bösewichtern, welche die Revo¬ 
lution ausgebrütet hat. Er war ein Mann von kolossalem Körperbau, sein Antlitz 
von afrikanischem Typus und durch die Blattern entstellt, aber eben dieses Schreck¬ 
hafte seiner Erscheinung, die Gewalt seiner Stimme und die Kühnheit seiner Rede 
machten ihn zu einem der ungestümsten Führer der Revolution — und doch war 
er noch nicht der ärgste. Marat und Robespierre machten ihm diesen Rang 
streitig; denn so empfindungslos sonst sein Herz war, so besaß er doch eine zärt¬ 
liche Liebe für seine Mutter und seine Frau, und war seinen Freunden unver¬ 
brüchlich treu. Mit kaltem Blute konnte er Todesurtheile sprechen; aber als seine 
Frau aus Gram über seine Mordsucht starb, war er nahe daran, sich vor Kummer 
das Leben zu nehmen. 
Marat war ein häßliches Geschöpf, ein wahrer Orang-Utang von Gestalt, 
von verworfenen Sitten. Früherhin war er Arzt beim Grafen von Artois ge¬ 
wesen, jetzt aber einer der wildesten Cordeliers. Durch pöbelhafte Aufführung 
und schmutzigen Anzug suchte er dem gemeinen Volke zu gefallen. Im Convente 
erschien er gewöhnlich mit einem schmutzigen Schnupftuche, statt des Hutes um 
den Kopf gebunden. In seinen Flugschriften predigte er unaufhörlich Aufruhr, 
Raub und Mord. 
Robespierre im Gegentheil hielt auf Sauberkeit und'Sorgfalt in seiner 
Kleidung, aber seine glanzlosen Augen und seine lauernde Physiognomie gaben 
ihm etwas Unheimliches und Abstoßendes. Ihn verzehrte das Feuer eines un¬ 
ersättlichen Ehrgeizes; was ihm da im Wege stand, räumte er mit Arglist oder 
mit Gewaltthat hinweg. Seine Sprache war schwerfällig und ging in der Hitze 
des Zornes in eine Art Geheul über; seine Talente waren gering, sein Geist 
ohne Muth und Kraft; und doch hat dies Ungeheuer ein Jahr lang Frankreich 
mit eisernem Scepter beherrscht.
	        
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