154 VIII. Die Befreiung Nordamerikas.
Nun hatte England durch diesen langjährigen Kampf eine riesige
Schuldenlast auf sich geladen. Um sie zu tilgen, beschloß das
Parlament, auch in den Kolonien von bestimmten Waren, wie Tee,
Glas, Papier und Farben, in Zukunft Zölle zu erheben. Dieser
Beschluß erschien den Kolonisten ungesetzlich; sie weigerten sich,
ihm nachzukommen, da er ohne ihre Zustimmung gefaßt worden sei.
Angesichts des Widerstands der Kolonien, deren Bewohner die zoll¬
pflichtigen Waren zerstörten oder zum mindesten nicht mehr kauften,
wurden einige der neuen Abgaben wieder aufgehoben. Aber die wtbelieb-
teste, der Teezoll, blieb bestehen. So wuchs der Unwille der Ameri¬
kaner und machte sich schließlich in einem Gewaltstreich Luft. Als drei
englische Teeschiffe im Hafen zu Boston ihre Ware ausboten, verklei¬
deten sich gegen fünfzig Bürger als Indianer, überfielen die Schiffe,
brachen die Frachtkisten auf und schütteten die ganze Ladung im Werte
von mehreren Millionen ins Meer.
Jetzt suchte England den Kolonien seinen Willen mit Gewalt auf-
zuzwingen. Es sperrte den Bostoner Hafen, behandelte die Ansiedler
als Aufrührer, verbot die Waffeneinfuhr in jene Gegenden und rüstete
sich zu militärischem Einschreiten. Die Antwort der Kolonisten war die
Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten im
Jahre 1776. So mußte es zum Kampfe zwischen Mutterland und
Kolonien kommen.
Zwei Führer haben in diesen ernsten Zeiten ihrer amerikani¬
schen Heimat treffliche Dienste geleistet. George Washington, ein
Pflanzer aus Virginien, übernahm die Leitung des Heeres. Offiziere
wie Soldaten waren in keiner Weise eingeübt; sie konnten wohl schießen,
hatten aber von Mannszucht und Kriegskunst keine Ahnung. Das
alles brachte ihnen in unermüdlicher Ausdauer Washington mit Hilfe
preußischer Offiziere bei und machte sie schließlich zu brauchbaren
Kämpfern. Benjamin Franklin, von Hause aus Buchdrucker, später
berühmt durch die Erfindung des Blitzableiters, verhandelte hauptsächlich
mit den fremden Staaten und erwies sich als tüchtiger Diplomat. \$hn
schickten die Kolonien nach Europa, um Bundesgenossen zu werben.
Solche brauchten die Amerikaner in der Tat recht nötig. Zwar
hatte ihre Unabhängigkeitserklärung auch in Europa an vielen Orten
großen Beifall hervorgerufen und zahlreiche Freiwillige aus den
verschiedensten Ländern herbeigelockt, die für die Sache der Freiheit
streiten wollten; aber die Engländer zeigten sich den Kolonisten lange
Zeit überlegen. Die eigenen Landsleute erschienen ihnen für den Kampf
jenseits des Ozeans zu gut. Es fanden sich jedoch leider deutsche