Full text: Für den Unterricht in höheren Mittelklassen berechnet (Kursus 3)

200 Neue Geschichte. 
der Große Kurfürst 20000 Mann dem kaiserlichen Heer zu Hilfe (1674) 
Während er aber am Rhein stritt, fielen, von Frankreich aufgereizt die 
Schweden m Brandenburg ein. Unvermutet erschien er jedoch am 25. Sunt 
1675 mit 6000 Reitern und 1200 Musketieren vor Rathenow^ aus 
dem er in wenig Stunden die Schweden vertrieb. Darauf stieß er (28. Juni) 
Fehrbellin auf die schwedische Hauptmacht: 11000 Mann und 
1675 38 Geschütze. Obwohl die meisten Befehlshaber den Angriff widerrieten 
well das kurfürstliche Fußvolk noch 10 Meilen zurück war, so beschloß 
Friedrich Wilhelm dennoch die Schlacht und errang über den Feind welcher 
seit dem Dreißigjährigen Kriege in dem Ruf unüberwindlicher Tapferkeit 
stand, einen herrlichen Sieg. 
Unter großem Jubel zog der Kurfürst in Berlin ein, allein die ge¬ 
machten Eroberungen (Vorpommern) mußte er auf Andringen Frankreichs 
wieder herausgeben. Dagegen gewann er an den französischen Flüchtlingen, 
welche die Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) aus Frankreich trieb 
(S. 198), 20000 arbeitsame Unterthanen, welche Fabriken und Manufak¬ 
turen anlegten und wüste Gegenden urbar machten. 
Noch ist der Versuch Friedrich Wilhelms, eine überseeische Kolonie 
Kolonie, zu gründen, hervorzuheben. Um sein Land an den -Vorteilen des Welt- 
Handels teilnehmen zu lassen, schickte er 1680 nach dem westlichen Afrika 
zwei Schiffe, deren Bemannung an der Küste von Guinea den Grund 
zu einer brandenburgischen Niederlassung legte. Die zweite dorthin ent- 
sendete Expedition baute 1682 das Fort Groß-Friedrichsburg und pflanzte 
auf ihm unter dem Donner der Kanonen die brandenburgische Flagge auf. 
Diese Ansiedelung vergrößerte sich bald, da die vom Kurfürsten (1682) ins 
Leben gerufene „Afrikanische Handelsgesellschaft" den Verkehr mit dem 
Mutterlande unterhielt. Nach dem Tode des Gründers ging aber die 
Kolonie zurück und 1720 überließ Friedrich Wilhelm I. seine Besitzungen 
in Afrika für einen Kaufpreis von 7200 Dukaten und 12 Mohren an 
die Holländer. So endigte vor anderthalb Jahrhunderten dieser erster Ver- 
such, staatlicher:jeits deutsche Kolonien zu erwerben und zu unterhalten. 
Friedrich Wilhelm, ein unverzagter, tapferer, gerechter und gottesfürch- 
tiger2 Herr, starb im Jahre 1688. Er hinterließ ein bedeutend ver- 
größertes und gut angebautes Land, einen Schatz von 2 Millionen Mark 
und ein geübtes Heer von 28000 Mann. Man betrachtet ihn als den- 
jenigen, welcher zu Preußens Macht und Ansehen den Grund gelegt hat. 
2. Auf ihn folgte sein Sohn Friedrich III. 1688-1713. Dieser 
Fried- stand geistig und körperlich dem Vater nach, förderte aber Preußens Macht- 
rich III. stellung nicht wenig dadurch, daß er die Königswürde erwarb. Da Fried- 
1688-1713. rich viel Eitelkeit und großen Hang zu äußerem Prunk besaß, so war sein 
ganzes Dichten und Trachten darauf gerichtet, den Königstitel zu erlangen, 
besonders seit der braunschweigische Herzog Ernst August (1692) ihm als 
„Kurfürst von Hannover" an die Seite getreten war und August der 
Starke von Sachsen (1697) den polnischen Königsthron bestiegen hatte. 
Zu ähnlicher Erhöhung bedurfte der Kurfürst von Brandenburg der Zu- 
1 Rathenow, Stadt an der Havel, westlich von Berlin. 
2 Seine erste Gemahlin Luise Henriette (f 1667) au» dem Hause Oranien 
ist Verfasserin des bekannten OsterliedeS: „Jesus meine Zuversicht".
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.