Deutschland in den Jahren 1851—1871. 247
<£Ioub 1 durch die Geschütze des Moni Valerien 1 von den Franzosen zweck- St. Cloud.
los in Brand geschossen ward. Am 28. Oktober entwickelte sich abermals ein
Kampf von größerer Ausdehnung nach Norden bei dem Orte le Bourget ^,Le Bourget.
den die Pariser Besatzung, in starker Überzahl ausfallend, den Deutschen
entriß, jedoch nur zwei Tage behaupten konnte. Im ganzen und großen
wartete man in der Hauptstadt auf den Entsatz von außen, da die National- •
garde der Mehrheit nach als uukriegstüchtig sich erwies. Dieser Entsatz
aber ist, wie wir bereits wissen, niemals gekommen. Während des November
verhielt die Pariser Besatzung sich ruhig, und erst gegen Ende dieses Monats
wiederholten sich die Ausfälle in erneuter Heftigkeit, um auch im Laufe des
Dezember sich fortzusetzen. Dieselben standen im Zusammenhange mit dem
Vorrücken der Westarmee, indem der in Paris kommandierende General
Trochn eine Durchbrechung der deutschen Einschließungslinie und eine Ver-
einigung mit der heranziehenden Entsatzarmee bezweckte. Derartige Ausfälle
in Verbindung mit dem heftigen Feuer sämtlicher Forts fanden vom 28. No-
vember bis 2. Dezember statt, prallten aber erfolglos an der Tapferkeit,
wie an den unter der Zeit errichteten Belagerungswerken der deutschen
Truppen ab. Im Gegenteil faßten letztere eine Beschießung von Paris,
die man bis jetzt aus Rücksichten der Humanität unterlassen, ernstlich ins Auge.
Nachdem gezogene Geschütze von weitester Tragkraft und hinreichende Bombar-.
Munition angelangt, begann zunächst am 27. Dezember die Beschießung dement,
des befestigten Berges Avron^, und zwar mit solchem Erfolge, daß schon
in der zweiten Nacht die Franzosen nach großen Verlusten diesen wichtigen
Punkt, „den Schlüssel von Paris", räumten, der alsbald von den Deutschen
besetzt wurde. Von hier aus bedrängte dann starkes Geschützfeuer die öst-
liehen Forts. Am 5. Januar 1871 wurde das Bombardement auch gegen
die Südforts eröffnet und ein Hagel von zermalmenden Geschossen auf die
feindlichen Bollwerke geschleudert. Bald flogen Bomben in die Vorstädte
und die daran grenzenden Stadtteile, obwohl die Batterien fast eine deutsche
Meile entfernt standen. Die Angst in der Stadt wuchs mit jedem Tage, aber
der Terrorismus der herrschenden Partei hielt jeden Gedanken an Nachgeben
und Unterhandeln fern.
Noch einmal wurde ein allgemeiner Ausfall geplant und am 19. Januar
ins Werk gesetzt. Früh am Morgen zogen 100 000 Mann aller Waffen¬
gattungen zum Entfcheidungskampfe. Nach siebenstündigem furchtbaren Ringen Schlacht
wurde der Angriff von den Belagerungstruppen zurückgeschlagen. Mit einem ti0T
Verluste von 7000 Mann traten am Abend die Franzosen den fluchtähnlichen art '
Rückzug an. Da überkam eine dumpfe Verzweiflung die ausgehungerte Stadt.
Von außen durch das Bombardement bedroht, im innern von dem blassen
Oespenste des Hungers erschreckt, durch die gahrende Zwietracht unter der
Bevölkerung gelähmt und verwirrt, ohne Aussicht auf einen wirksamen Entsatz
aus den Provinzen, was blieb der stolzen Hauptstadt übrig, als von einem
Kampfe abzustehen, dessen Fortsetzung das namenlose Elend nur vermehrte,
ohne Hoffnung einer Rettung?
Da reifte endlich der Entschluß, mit dem starken Feinde vor den Mauern Waffen-
in Unterhandlung zu treten. Man kam überein, daß am 28. Januar das stillstand^
i Saint Cloud, S. 148 Anm. 1. —Mont Valsrien, Berg mit starkem Fort,
westlich von Paris, nördlich von St. Clond. — L e Bourget, Dorf nordöstlich von
Paris. — Berg Avr o n (Mont Avron), eine steile Höhe östlich von Paris.