Full text: Für den Unterricht in Mittelklassen berechnet (Kursus 2)

62 Alte Geschichte. 
sollte nach der Absicht des Theodosius das römische Reich immer noch ein 
Ganzes bilden; es ist aber nie wieder vereinigt worden. Von nun an gab 
es ein abendländisches oder weströmisches (lateinisches) und ein morgenländisches 
oder oströmisches (griechisches oder byzantinisches) Kaiserreich (395). Die 
ungefähre Grenze beider Reiche war das adriatische Meer. 
2. Weil die Söhne des Theodosius noch jung waren, hatte der Vater 
dem Arkadins den Gallier Rnsinns, dem Honorins den Vandalen Stilicho 
als Reichsverweser zur Seite gestellt. Beide Männer aber haßten sich und 
ergriffen jede Gelegenheit, einander zu schaden. Aus dieser Feindschaft zog 
Manch. Alarich, der 395 zum Könige der Westgoten erhoben worden war, den größten 
Vorteil. Unter dem Vorwaude, daß der oströmische Hof die geschlossenen Ver- 
träge nicht erfüllt habe, brach er mit Heeresmacht in Griechenland 1 ein und 
verwüstete alles mit Feuer und Schwert. Da kam Stilicho von Westen her 
der heimgesuchten Provinz zu Hilfe, landete in Arkadien1 und nötigte Alarich 
zum Rückzüge. Rusinns aber, durch diese Einmischung verletzt, erhob — den 
Gotenkönig zum Statthalter des östlichen Illyrien hoffte er doch, daß 
sich die Goten von dort aus leicht zu einem Einfall nach Italien verstehen würden. 
Schon im Jahre 400 war Alarich auf dem Wege nach Italien, kehrte 
aber vor dem festen Aquileja1 wieder um. Bald erneuerte er seinen Zug. 
Schrecken ergriff alle Gemüter, als die barbarischen Goten eine Stadt nach 
der anderen nahmen. Der schwache Honorins schloß sich in dem festen 
Ravenna1 ein und überließ die Verteidigung des Landes dem Stilicho. 
Dieser sammelte, was von streitbarer Mannschaft vorhanden war, mußte aber 
bereits Gallien von Legionen entblößen, um Italien zu retten. Am Ostertage 
des Jahres 403 schlug Stilicho seinen Feind bei Pollentia^ und bald darauf 
bei Verona1 (404), so daß sich Alarich nach Illyrien zurückzog. 
Ebenso erfolgreich bekämpfte Stilicho den Herzog Radagais, der mit 
einem deutschen Völkerschwarm von 200 000 Mann nach Oberitalien vordrang. 
Bei Florenz1 erlagen (406) die Barbaren der römischen Kriegskunst. 
Dennoch sah Stilicho Roms Schicksal herannahen; er suchte deshalb 
Alarich durch Zusicherung von 4000 Pfund Goldes aus dem oströmischen 
Dienst in den weströmischen zu ziehen. Alarich ging darauf ein. Aber Stilicho, 
Stilicho schon längst verdächtigt, als strebe er für seinen Sohn nach dem Throne, 
t 408. wurde auf Honorins' Befehl zu Ravenna (408) enthauptet. 
Damit war die letzte Stütze des schwachen Thrones dahin. Alarich, dem 
man den verheißenen Tribut vorenthielt, rückte (408) abermals auf Italien 
los. Honorins flüchtete sich wieder nach Ravenna; allein er hatte niemand 
Alarich vor mehr, der für ihn die Schlachten gewann. Bald stand Alarich vor Rom, das seit 
Rom. Harntibals Zeiten keinen Feind gesehen hatte. Er schloß die Stadt ein und nötigte 
sie durch Hunger, Friedensunterhandlungen mit ihm anzuknüpfen. Die römischen 
Gesandten suchten den Gotenanführer durch Berufung auf ihre große Anzahl 
einzuschüchtern. Aber Alarich anwortete: „Je dichter das Gras, desto besser das 
Mähen!" In bescheidenem Ton erkundigten sich nun die Gesandten nach den 
Friedensbedingungen und erlangten, daß Alarich für 5000 Pfund Goldes und 
30 000 Pfund Silbers die Belagerung aufhob. 
1 Griechenland, Arkadien, Illyrien, S. 5 Anm. 3. — Aquileja, 
Gstadt an der Nordspitze des adriatischen Meeres. — Ravenna, Stadt am adria- 
tischen Meere. — Pollentia, Stadt am Tanaro im westlichen Oberitalien. — Verona, 
Stadt an der Etsch. — Florenz, Stadt am Arno.
	        
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