Der deutsch-französische Krieg. 241
§ 67.
Der deutsch-französische Krieg brachte dem deutschen Vaterlande
nicht blas; Elsaß und Lothringen wieder zurück, er brachte ihm auch
bie Vereinigung von Nord- und Süddeutschland zu einem erblichen
deutschen Kaiserreiche. Bald nach dem Ausbruch des Krieges
war es gewiß, daß nun der Zeitpunkt für Deutschlands Einheit ge-
kommen sei, und im November 1870 schlössen die deutschen Südstaaten,
nämlich Hessen, Baden, Bayern und Württemberg mit dem
Könige von Preußen Verträge ab, wodurch sie in den seitherigen
norddeutschen Bund eintraten, und durch diesen Eintritt erweiterte
sich der uorddeutsche Bund zu eiuem deutschen Bunde. Und am
4. December 1870 richtete der König von Bayern Ludwig II.*) an
sümmtliche deutsche Fürsten und an die drei freien Städte Hamburg,
Lübeck und Bremen den Vorschlag, daß der König von Preußen den
Titel eines deutschen Kaisers und der deutsche Bund den Namen:
„deutsches Reich" führen solle. Alle waren gern damit einver-
standen, und der Köuig Wilhelm nahm den Vorschlag an. Am
18. Januar 1871, am Tage des preußischen Krönungsfestes, erklärte
im Schlosse zu Versailles vor den versammelten deutschen Fürsten
Und Generalen der König Wilhelm I. von Preußen, daß er für
sich und seine Nachkommen die deutsche Kaiserwürde annehme, und
baß er entschlossen sei, die Rechte des Reiches und seiner Glieder zu
schützen, den Frieden zu wahren und die Unabhängigkeit Deutschlands,
gestützt auf die geeinigte Kraft des Volkes, zu vertheidigen. An dem¬
selben Tage wurde der Reichskanzler Graf Bismarck in den Fürsten-
stand erhoben.
Zum deutschen Reiche gehören alle Staaten des früheren nord-
deutschen Buudes, wie sie im § 55 angegeben sind, außerdem das
Wuze Großherzogthnm Hessen, Baden, Württemberg und Bayern,
sowie Elsaß und Lothringen. Ausgeschlossen sind die östreichischen
Zünder, das Fürstenthum Liechtenstein und das Großherzogthum
Luxemburg nebst Limburg, welches mit Holland vereinigt wurde.
Die Verfassung des norddeutschen Bundes wurde auf Süddeutschland
übertragen. Aus dem Bundesrat!) mit 43 Stimmen wurde ein
Äeichsrath, in welchem Bayern <i, Württemberg 4, Baden 3, Hessen 3
(statt früher 1) Stimmen führen, mit zusammen 58 Stimmen. Die
•Saht der Abgeordneten im Reichstag stieg von 296 auf 382. Das
*) Der erste König von Bayern war, wie in § 35 erwähnt ist, Max Joseph
(t 1825). Ihm folgte sein Sohn, der kunstsinnige König Ludwig I., der 1848
Zurücktrat. Sein Sohn Max 11. regierte von 184.8 — 1864; ihm folgte sein
^ohn, der oben genannte Ludwig II.
Lauer, Weltgeschichte, 2. Abheilung. 0. verm. u. Verb. Aufl. IG