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Griechische Geschichte
auf dem Gebiet der Dichtung vorhanden war. Andere wieder wie
der große Eratosthenes wandten sich den neuen Gebieten der Erd-
und Völkerkunde, den Naturwissenschaften, der Astronomie zu:
für sie bildete etwa seit 250 nicht mehr Athen, sondern die auf¬
blühende Residenz der Ptolemaeer den Mittelpunkt, wo sie in der
reichen Bibliothek die beste Unterstützung für ihre Studien fanden.
§ 114. Bildende Kunst. Sehr viel glänzender ist die Entwick¬
lung auf dem Gebiete der bildenden Kunst, die jetzt erst, im
dritten und zweiten vorchristlichen Jahrhundert die Höhe ihres
Schaffens erreicht. Mit dem Auftreten der großen Meister am
Anfang der Epoche, dem Bildhauer Lysippos und dem Maler
Apelles war die letzte Schwierigkeit, die individuelle Gestaltung
Neue Auf- der Gesichtszüge überwunden. Die hellenische Kunst war bis zur
gaben vollkommenen Beherrschung der menschlichen Form gerade in
dem Augenblick durchgedrungen, als die Entdeckung einer neuen
Welt und die Ansammlung ungeheurer Kapitalien in den Händen
einzelner die Künstler vor Aufgaben stellte, wie sie in dieser Größe
kaum das perikleische Athen geboten hatte. Daher der Zug ins
Riesenhafte, der dieser Zeit zunächst anhaftete: die Stadt Rhodos
wußte ihrer Freude über die glücklich bestandene Belagerung nur
dadurch Ausdruck zu geben, daß sie am Eingang ihres Hafens dem
Sonnengott eine 40 m hohe Erzstatue, den Koloß von Rhodos, er¬
richten ließ. Doch kam man von diesen Übertreibungen bald zurück,
Hochblüte und nun folgte eine Reihe der herrlichsten Werke, zuerst die Nike
der piastik Samothrake, die zur Feier von Demetrios Seesieg bei Salamis
errichtet ward, nicht viel später die nicht ganz vollständig erhaltene
Niobegruppe. Dann entstanden die Gallierstatuen, mit denen das
Pergamenische Königshaus seine Galliersiege verherrlichte und end¬
lich der wunderbare Gigantenfries am Zeusaltar, das Hauptwerk
der pergamenischen Schule und der wertvollste Besitz der Museen
in Berlin. Neben ihr gab es die rhodische Schule, als deren bedeu¬
tendstes Werk uns die Laokoongruppe (wohl 2. Jahrhundert) erhalten
ist. Aber noch großartiger wie in diesen wildbewegten Gruppen
äußerster Leidenschaft offenbart sich der hellenische Geist in der
ruhigen Hoheit solcher Göttergestalten wie des Apollon von Belvedere
und der Aphrodite von Melos, die doch wohl den Höhepunkt der
griechischen Kunst überhaupt bezeichnen.
Ausgang Eines freilich darf man dabei nie aus dem Auge verlieren: daß
fischen' die griechische Bildung doch eben nur ein Gemeingut der oberen
Kultur Schichten war und die alten orientalischen Kulturen stets nur zurück¬
drängen, nie völlig verdrängen konnte. Mit der Zeit machte sich
deren Übergewicht wieder geltend, zuerst seit der Gründung des Par-
therreichs auf der Hochfläche von Iran, wo das griechische Element
nie recht Fuß gefaßt hatte, dann in Ägypten, wo die geringe Zahl