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Staatsverwaltung, insbesondere die Minister. Die Justiz rvird
im Namen des Königs durch Richter ausgeübt, die vom Könige
ernannt werden, aber unabsetzbar sind; der König hat das Recht
der Strafmilderung und der Begnadigung. Alle Regierungshand-
lungen des Königs bedürfen zur Gültigkeit der Gegenzeichnung
(Mitunterschrift) durch einen Minister, der dadurch die Verantwort-
lichkeit übernimmt. Der König selbst ist unverantwortlich und un-
verletzlich. Die gesetzgebende Gewalt übt der König im
Verein mit der Volksvertretung, dem Landtage, aus.
D e r L a n d t a g besteht aus zwei Kammern, dem Herrenhause
und dem Abgeordnetenhause. Wie die Regierung, so hat auch jede
der beiden Kammern das Recht, Gesetze vorzuschlagen. Zur
Gültigkeit der Gesetze ist Übereinstimmung des Königs und beider
Kammern erforderlich. Der Staatshaushalt wird jährlich
von der Regierung unter Mitwirkung der Kammern festgesetzt.
Das Herrenhaus besteht aus den volljährigen Prinzen
des königlichen Hauses, aus teils erblichen, teils lebens¬
länglichen Vertretern des hohen Adels, aus Vertretern des
Großgrundbesitzes, der großen Städte, der Universitäten und tech-
nischen Hochschulen, sowie aus solchen Männern, die aus könig-
lichem Vertrauen auf Lebenszeit in diese Versammlung be-
rufen sind.
Das Haus der Abgeordneten besteht aus 443 Mit¬
gliedern. Sie werden alle fünf Jahre vom Volke gewählt; zur
Wählbarkeit ist ein Alter von 30 Jahren erforderlich. Behufs der
Wahlen zum Abgeordnetenhause wurde das Land in Wahl-
bezirke so eingeteilt, daß etwa auf 50000 Einwohner ein Abge¬
ordneter kam. Der seitdem erfolgten Vermehrung und Verschiebung
der Bevölkerung Preußens wurde später durch einige Änderungen
der Wahlbezirke nur unvollkommen Rechnung getragen. Daher ist
jetzt bei den Wahlen der Osten der Monarchie vor dem Westen und
sind die ländlichen Bezirke vor den industriellen im Vorteile. Die
Wahlbezirke zerfallen in Urwahlbezirke (von 750 bis 1750
Einwohnern).
Jeder Preuße, der mindestens 24 Jahre alt und im Besitze der
bürgerlichen Rechte ist (s. S. 51), hat aktives Wahlrecht. (Für
Militärpersonen ruht das aktive, nicht das passive Wahlrecht.) Doch
werden die Wähler jedes Urwahlbezirkes nach der Höhe der
Stein, Geschichte für Mittelklassen. IV. 6