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Dritter Zeitraum.
Die Kaiserherrschast.
§ 68. Kaiser Augustus (30 v. Chr. bis 14 n. Chr.).
Weil Cäsar durch sein Streben nach dem Königstitel beim Volke
wie bei den Vornehmen mißliebig geworden war, verzichtete Oc-
tavian von vornherein auf diese Auszeichnung. Er ließ zum
Schein die Einrichtungen und Ämter des Freistaates bestehen. Aber
er vereinigte wie Cäsar die wichtigsten Ämter in seiner Person.
Er erhielt vom Senate die Titel Imperator und Priuceps
(d: i. Erster des Senats) und den Ehrennamen Augustus; Cäsar
wurde Bezeichnung der Prinzen des kaiserlichen Hauses. Der Senat
behielt noch einen gewissen Anteil an der Verwaltung der Provinzen,
aber die Volksversammlung verlor jede Bedeutung. Das Heer stand
nur unter dem Befehl des Herrschers und wurde als dauernde Wehr-
macht des Reiches in die Grenzprovinzen gelegt. Nur die kaiserliche
Leibgarde, neun Kohorten zu tausend Mann unter einem Garde-
oberst, lag größtenteils in der Hauptstadt. Die Verwaltung der
Provinzen wurde gut geordnet, und seither lernten die Unterwerfe-
rten den Segen einer festen Regierung kennen und wurden vor den
Erpressungen der Statthalter bewahrt.
Gleich nach seiner Rückkehr aus Ägypten ließ Octavian den
Janustempes schließen zum Zeichen, daß im ganzen Reiche Friede
herrsche. Fortan wurde nur in den Grenzländern Krieg geführt.
Die Länder im Süden der Donau ließ Augustus durch seine Stief-
söhne Tiberins und Drusus erobern. In den Jahren 12—9 drang
Drusus auch in drei Feldzügen vom Rhein aus in das nördliche
Germanien bis an die Elbe vor. Aber der Versuch, Germanien
den Zuschnitt einer römischen Provinz zu geben, wurde durch die
furchtbare Niederlage, welche Quinctilius Varus im Jahre 9 n. Chr.
im Teutoburger Walde erlitt, vereitelt (s. im 2. Bde.).
Unter Augustus' Regierung blühten Künste und Wissen-
schästen. Die Hauptstadt wurde mit herrlichen Tempeln und
Palästen geschmückt, öffentliche Bibliotheken, Badeanlagen und Thea-
ter wurden errichtet. Die bedeutendsten Dichter Roms, Vergil, Ho-