Full text: [Teil 2,2] (Teil 2,2 für Obertertia)

Die Zeit des Großen Kurfürsten. 127 
Kanal genannt. Die beiden wichtigen Handelsstädte Breslau und Ham¬ 
burg waren nun auf dem Wasserwege erreichbar, und Berlin wurde da¬ 
durch der wirtschaftliche Mittelpunkt der Mark. 
Für die Entwicklung des Verkehrs sorgte der Kurfürst durch die 
(Einrichtung der reitenden Post, die den H)eg von Kleve nach Königsberg Post 
in zehn Tagen zurücklegte. Die entferntesten Landesteile waren dadurch 
in regelmäßiger Verbindung, und die mustergiltige Verwaltung derselben 
galt andern deutschen Staaten zum Vorbild. 
Doch Friedrich u)ilhehn blieb mit seinem weitausschauenden Blick nicht Koiontfation 
an den Grenzen seines Landes stehen, sein sehnlichster Wunsch war, Branden- 
bürg den (Eintritt in die Kreise des Welthandels zu erwirken. Mit Hilfe 
des Holländers Benjamin Raule gründete der Kurfürst im Jahre 1675 eine 
kleine $Iotte, die sich in dem Kaperkriege von 1681 gegen Spanien, das dem 
Kurfürsten aus der Zeit des französischen Kriegs noch Hilfsgelder schuldete, 
durchaus bewährte. Die Flotte sollte aber vor allem dem Handel dienen 
und ihm neue Absatzgebiete verschaffen. Das gelang im Jahre 1680: 
nahe dem Vorgebirge der drei Spitzen an der Goldküste von Afrika 
wurde ein Handelsvertrag mit drei Häuptlingen abgeschlossen und ein 
Platz für ein Fort erworben 3m nächsten Jahre gingen dann zwei 
Schiffe mit Ingenieuren, Offizieren und ausgewählten Soldaten kurfürst¬ 
licher Regimenter unter dem Befehl des Kurbrandenburgischen Majors 
Otto Friedrich von Gröben nach Afrika. Hm Heujahrstage 1683 wurde 
bei Mamfro die brandenburgische Flagge mit dem roten Adler im weißen 
Felde gehißt, und Gröben nannte den Ort dem großen Kurfürsten zu 
(Ehren, dessen Name in aller Munde sei, Groß Friedrichsburg. 
Die geistige Bildung zu fördern, ließ sich der Kurfürst auch angelegen Das££tige 
sein. Zu den beiden schon bestehenden Universitäten in der Mark und 
in Preußen kam jetzt als dritte für das klevische Land Duisburg. Nach 
Berlin, wo er den Grundstock zu einer Bibliothek legte, berief er einen 
bedeutenden Juristen und Historiker, Samuel pufendorf, aus dessen Feder 
die erste Lebensbeschreibung des großen Kurfürsten stammt. 
An dem Grundsätze religiöser Duldung hielt der Kurfürst die ganze Religiöse 
Zeit seiner Regierung fest. Die Unionsgedanken Johann Sigismunds, DuIöun9 
der zum reformierten Bekenntnis übergetreten war, nahm er auf, stieß 
aber auf heftigen Widerstand bei den Lutheranern. Die Prediger beider 
Richtungen befehdeten sich Sonntags von den Kanzeln. Da erließ der 
Kurfürst, als bei einer Unterredung der Vertreter beider Konfessionen 
keine (Einigung erzielt wurde, ein Edikt, „daß er den konfessionellen 
Haber und namentlich die gegenseitigen gehässigen verketzerungen auf den 
Kanzeln durchaus nicht länger dulden wolle". Ein jeder Geistlicher sollte 
sich schriftlich zum Gehorsam verpflichten. Paul Gerhardt, der bekannte P^Ger- 
evangelische Liederdichter, der seit 1657 Diakon an der Nikolaigemeinde 
in Berlin war, weigerte sich, einen derartigen Revers zu unterschreiben. 
Da verfügte der Kurfürst seine Amtsentsetzung. Als sich nun der Magistrat
	        
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