jenem. Das Einstürzen eines kleinen Schneegesimses in der Höhe,
der Tritt einer Gemse, eines Hasen, ja, das Schneebällchen, das
von einem Strauche fällt und fortrollt, können dieses ganze obere
Schneefeld in Gang bringen. Es rutscht erst langsam in einem Stück
fort, reißt dann die tiefern Massen mit, überwallt, stiebt auf, teilt
sich. Man hört das Dröhnen der Masse durch die klare Luft, und
der entstehende Windzug führt von allen Seitenhalden neue Stürze
herbei. Mit rasender Eile und dröhnendem Gepolter stürzt der Haupt¬
strom der Tiefe zu, reißt Steine und Büsche mit sich und bricht
krachend in den Wald ein. Du siehst nichts als donnernde, sprühende
Nebel. Unendliche Schneestaubwolken verhüllen den Gang des
Stroms. Die Waldbäume krachen; das Felsgestell bebt. Die nahen
Gebirge hallen im Donner des Sturmes lange, bange Minuten nach —
noch ein Schlag und zitterndes, knirschendes, dumpfes Gepolter —
dann ist es still. Ein schneidender Luftzug hat den stolzen Gang
der Lawine begleitet. Du schaust ihr nach. Geradeaus, über zwei
Stunden lang, Hunderte von Schritten breit, liegt ihr frisches Kanalbett
durch Alpweiden, Wälder, Wiesen bis an den Bach tief unten im
Tale. Noch rollen einzelne Ballen und rutschen kleine Stürze nach.
Noch schwankt der durchbrochene Hochwald im Winde der Ver-
heererin.
Die Gewalt des Sturmes, der eine solche Staublawine auf ihrer
Bahn begleitet, ist unbeschreiblich. Der Luftzug rast schußweise
rechts und links etliche hundert Schritt weit neben dem Lawinenzug
dahin. Er reißt dabei in den Wäldern auf beiden Seiten des
Schneestroms Hunderte der stärksten Bäume nieder, hebt Menschen
und Tiere auf und schleudert sie in die Tiefe. Im Tale aber, wo
die Schneemasse liegen bleibt, saust der furchtbare Begleiter der
Lawine noch eine große Strecke weiter. Er knickt die stärksten
Baumstämme wie dürre Hanfstengel, legt schwere Frachtwagen auf
die Seite und reißt ganze Gebäude zusammen.
Weniger gefährlich als die Staublawinen sind die Grundlawinen.
Sie fallen später, meistens erst im Frühling oder Vorsommer. Der
Föhn und die Sonnenwärme unterfressen ganze große Schneefelder,
ziehen Wasser durch sie und erweichen ihre Unterlage. Bei der
geringsten Erschütterung gerät nun diese Schneemasse an steileren
Abhängen ins Rutschen. Die tieferliegenden Schneefelder hängen
sich an. Alles ballt sich zusammen, reißt überall neue Schneefelder