Full text: [Teil 2,3] (Teil 2,3 für Untersekunda)

jenem. Das Einstürzen eines kleinen Schneegesimses in der Höhe, 
der Tritt einer Gemse, eines Hasen, ja, das Schneebällchen, das 
von einem Strauche fällt und fortrollt, können dieses ganze obere 
Schneefeld in Gang bringen. Es rutscht erst langsam in einem Stück 
fort, reißt dann die tiefern Massen mit, überwallt, stiebt auf, teilt 
sich. Man hört das Dröhnen der Masse durch die klare Luft, und 
der entstehende Windzug führt von allen Seitenhalden neue Stürze 
herbei. Mit rasender Eile und dröhnendem Gepolter stürzt der Haupt¬ 
strom der Tiefe zu, reißt Steine und Büsche mit sich und bricht 
krachend in den Wald ein. Du siehst nichts als donnernde, sprühende 
Nebel. Unendliche Schneestaubwolken verhüllen den Gang des 
Stroms. Die Waldbäume krachen; das Felsgestell bebt. Die nahen 
Gebirge hallen im Donner des Sturmes lange, bange Minuten nach — 
noch ein Schlag und zitterndes, knirschendes, dumpfes Gepolter — 
dann ist es still. Ein schneidender Luftzug hat den stolzen Gang 
der Lawine begleitet. Du schaust ihr nach. Geradeaus, über zwei 
Stunden lang, Hunderte von Schritten breit, liegt ihr frisches Kanalbett 
durch Alpweiden, Wälder, Wiesen bis an den Bach tief unten im 
Tale. Noch rollen einzelne Ballen und rutschen kleine Stürze nach. 
Noch schwankt der durchbrochene Hochwald im Winde der Ver- 
heererin. 
Die Gewalt des Sturmes, der eine solche Staublawine auf ihrer 
Bahn begleitet, ist unbeschreiblich. Der Luftzug rast schußweise 
rechts und links etliche hundert Schritt weit neben dem Lawinenzug 
dahin. Er reißt dabei in den Wäldern auf beiden Seiten des 
Schneestroms Hunderte der stärksten Bäume nieder, hebt Menschen 
und Tiere auf und schleudert sie in die Tiefe. Im Tale aber, wo 
die Schneemasse liegen bleibt, saust der furchtbare Begleiter der 
Lawine noch eine große Strecke weiter. Er knickt die stärksten 
Baumstämme wie dürre Hanfstengel, legt schwere Frachtwagen auf 
die Seite und reißt ganze Gebäude zusammen. 
Weniger gefährlich als die Staublawinen sind die Grundlawinen. 
Sie fallen später, meistens erst im Frühling oder Vorsommer. Der 
Föhn und die Sonnenwärme unterfressen ganze große Schneefelder, 
ziehen Wasser durch sie und erweichen ihre Unterlage. Bei der 
geringsten Erschütterung gerät nun diese Schneemasse an steileren 
Abhängen ins Rutschen. Die tieferliegenden Schneefelder hängen 
sich an. Alles ballt sich zusammen, reißt überall neue Schneefelder
	        
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