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Das Zeitalter der französischen Revolution.
errichtet, zu deren Befehlshaber Lafayette, der in Nordamerika gekämpft
hatte, ernannt wurde. Oer König, dem die Zügel der Regierung bereits
völlig entglitten waren, berief nun wieder Necker ins Ministerium und
zog die Truppen zurück. Allenthalben flammte der Hufruhr empor, das
Landvolk erhob sich gegen den Adel, der zum großen Teil das Land
verließ, um an auswärtigen Kürstenhöfen gegen die Revolution zu schüren.
An der Spitze der „(Emigranten", deren Wirken im Auslände so ver¬
hängnisvoll wurde, stand der Graf von Artois, der zweite Bruder des
Königs.
Bei?m"e Unterdessen faßte die Nationalversammlung die wichtigsten Beschlüsse.
4. ftuguft 3n der Nachtsitzung des 4. August 1789 wurden alle Vorrechte des Adels und
der Geistlichkeit aufgehoben. Auf Lafayettes Antrag beschloß die National¬
versammlung bald darauf die Erklärung der Menschenrechte, in denen
es heißt: „Das Ziel aller politischen Gesellschaften ist die Erhaltung der
natürlichen und unveräußerlichen Rechte der Menschen. Diese sind: die
$reiheit, das Eigentum, die Sicherheit und das Recht des Widerstandes
gegen willkürliche Bedrückung," Doch der König genehmigte diese Be-
£8Ä schlüsse nicht. Da brach am 5. Oktober der Aufstand in gewaltiger, un¬
widerstehlicher weise aus: der gänzliche Mangel an Mehl gab das Zeichen
hierzu. Ein junges Mädchen ging in ein tDachthaus, nahm eine Trommel
und durchzog wirbelnd die Straßen von Paris mit dem Ruf: „Brot!"
Bald hatte sich ein Haufen von Krauen um sie geschart, und es erscholl
der Ruf: „Nach Versailles!" Ein wüster Zug, $rauen und Männer, setzte
sich nach Versailles in Bewegung. Die Nationalgarde, mit Lafayette- an
der Spitze, folgte erst später. Der König nahm nun die Menschenrechte
an und versprach einer an ihn gesandten Abordnung Abstellung der Hungers¬
not, aber in der Nacht drangen die Massen, während Lafayette schlief,
durch eine Hintertür nach Ermordung der Leibwächter ins Schloß ein
und zwangen den König zu dem versprechen, seinen Wohnsitz in Paris
zu nehmen. Unter dem Geleite des Pöbels fuhr das Königspaar, vor
dessen Wagen die Köpfe der getöteten Gardes du corps getragen wurden,
nach Paris.
mtrabeau Wenige Tage später siedelte auch die Nationalversammlung nach der
Hauptstadt über. Der König war völlig gebrochen; Mirabeau, der eine
Verfassung nach englischem Muster wollte, bot ihm seine Hilfe an; doch
er fand beim Hofe kein vertrauen, hatte doch Marie Antoinette in schroffer
$orm es abgelehnt, als man ihr riet, Mir ab eaus Talent in den Dienst
der Regierung zu stellen: „So tief", sagte sie, „werden wir hoffentlich
nie sinken, daß wir die Hilfe Mirabeaus anrufen müßten." So ging das
Königtum feinem Untergang entgegen. Einem $reunde gegenüber äußerte
Mirabeau am Ende des Jahres 1789: „Ich halte alles für verloren, der
König und die Königin werden ums Leben kommen, Sie werden sehen,
der Pöbel wird ihre Leichen peitschen."