Full text: Ein Besuch im Benediktiner-Kloster (H. 3)

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mund geschaffen. — Als Herr Burkhard zu seinen Vätern ver¬ 
sammelt war, hinterließ er als Witwe die junge Frau Hadwig, 
Tochter des Herzogs in Bayern. Frau Hadwig saß nun allein auf 
der Burg Hohentwiel; es waren ihr die Erbgüter des Hauses und 
mannigfalt Befugnis, im Lande zu schalten und zu walten, ver¬ 
blieben, sowie die Schutzvogtei über das Hochstift Konstanz und 
die Klöster um den See, und es hatte ihr der Kaiser gebrieft und 
gesiegelt zugesagt, daß sie als Reichsverweserin in Schwaben ge¬ 
bieten solle, solange der Witwenstuhl unverrückt bleibe. 
3. Eines Tages fuhr die Herzogin samt großer Gefolgschaft 
im lichten Schein des Frühmorgens über den Bodensee. Der See 
war prächtig blau, die Wimpel flaggten lustig, und es war viel 
Kurzweil auf dem Schiff. Wer sollt' auch traurig sein, wenn er 
über die kristallklare Wasserfläche dahinschwebt? Die baumum- 
säumten Gestade mit Mauern und Türmen ziehen im bunten Wechsel 
an ihm vorbei; fern dämmern die schneeigen Firnen, und der Wider¬ 
schein des weißen Segels Verzittert im Spiele der Wellen. — Keins 
wußte, wo das Ziel der Fahrt. Sie waren's aber so gewohnt. — 
Als sie an der Bucht von Rorschach anfuhren, hieß die Herzogin 
einlenken. Zum Ufer steuerte das Schiff; übers schwanke Brett 
stieg sie ans Land. Und der Wasserzoller kam herbei, der dort 
den Welschlandfahrern das Durchgangsgeld abnahm, und der Weibel 
des Marktes und wer immer am jungen Hafenplatz seßhaft war; 
sie riefen der Landesherrin ein rauhes: Heil Herro! Heil Liebo! 
zu und schwangen mächtige Tannenzweige. Grüßend schritt sie durch 
die Reihen und gebot ihrem Kämmerer, etliche Silbermünzen aus¬ 
zuwerfen. Aber es galt kein langes Verweilen. Schon standen die 
Rosse bereit; die waren zur Nachtzeit insgeheim vorausgeschickt 
worden. Als alle im Sattel saßen, sprach Frau Hadwig: „Zum heiligen 
Gallus!" Da schauten sich die Dienstleute verwundert an: Was soll 
uns die Wallfahrt? Zum Antworten war's nicht Zeit; schon ging's im 
Trab das hügelige Stück Landes hinauf, dem Gotteshaus entgegen. 
4. Sankt Benedikt und seine Schüler haben die bauliche An¬ 
lage ihrer Klöster wohl verstanden. Land ab, Land auf, wo irgend 
eine Ansiedelung steht, die gleich einer Festung einen ganzen
	        
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