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Vergütung Vorspann zu leisten, auf. Bisher war dem Bauer vielfach vor¬ 
geschrieben, in welcher Mühle er sein Getreide mahlen mußte, in welcher 
Brennerei und Brauerei er Schnaps brennen und Bier brauen lassen durfte; 
auch diese Zwangsrechte der Mühlen, Brennereien und Brauereien wurden 
abgeschafft oder sehr beschränkt. 
Land als selbständiges Eigentum konnte der Bauer überhaupt nicht er¬ 
werben; das Recht zum Kauf der Rittergüter besaß nur der Adel. Kurz nach 
Aufhebung der Erbunterthänigkeit wurde ebenfalls im Oktober 1807 auch dieses 
Vorrecht des Adels aufgehoben; jeder Bürger, jeder Bauer sollte ein Ritter¬ 
gut erwerben dürfen. So sah der so lange gedrückte Bauer mit freudigem 
Blicke die Möglichkeit vor sich, ein unbelastetes Eigentum zu besitzen. Um¬ 
gekehrt sollte jedem Adeligen gestattet sein, ein bürgerliches Gewerbe treiben zu 
dürfen, was ihm bisher seine Standesehre verbot. So fielen also in jenem 
denkwürdigen Jahre 1807 die Schranken, welche bisher fast unübersteiglich die 
einzelnen Stände geschieden. Ebenso wurde der Adel zu Steuern und Ab¬ 
gaben herangezogen, die bisher nur von Bürgern und Bauern getragen worden 
waren. Der Adel verlor also an Rechten, aber Stein, der selbst ein Edel¬ 
mann durch und durch war, suchte die Würde dieses Standes nicht in Vor¬ 
rechten, sondern in einer hervorragenden sittlichen unb patriotischen Haltung. 
Nun erst, nach Aushebung ber Erbunterthänigkeit uttb nach Verleihung bes 
Rechtes zum Erwerb bes Grunbeigeutums konnte ein neuer Aufschwung bes 
Lanbbaues beginnen unb baburch Volkswohlstanb unb Volkskraft langsam wieber 
auf bie frühere Höhe gebracht werben. 
b) Umgestaltung des Städtewesens. Auch bie Stäbte bebursteu einer 
grünblichen Änderung ihrer Verhältnisse; auch ber Bürger mußte mit neuem 
Geiste beseelt, mit Vaterlcmbsliebe, mit Sinn für bas Gemeinwohl erfüllt 
werben. In ben Zeiten bes Mittelalters war bas so gewesen. Da hatte bie 
Bürgerschaft selbst ihre stäbtischen Angelegenheiten verwaltet, war freudig zur 
Verteibigung aus bie Wälle geeilt, fobalb ein Angriff von außen brohte. Solch 
lielbenhaften Bürgersinn hatten im Jahre 1806 nur bie Bürger von Kolberg 
bethätigt. Seit bem 30jährigen Kriege nämlich war bie Selbstänbigkeit in 
ber Verwaltung ber Stäbte mehr unb mehr gesunken. Seit bieser Zeit hatte 
ber Staat burch angestellte Beamte auch alle stäbtifchen Angelegenheiten regiert. 
Diese Staatsbeamten, nicht feiten nusgebiente Militärs, ben Geschäften unb Be- 
bürfniffen ber Stabt meist völlig fremb, suchten in ihren Stellen vielfach nur 
Ruheplätze. Die Bürgerschaft hatte ben Anordnungen ber hohen Obrigkeit ein¬ 
fach zu gehorchen, unb ba btefe Anordnungen bem Wohle ber Bürgerschaft nicht 
selten zuwiberliesen, so verlor bieselbe allmählich Achtung unb Vertrauen zur 
Obrigkeit, Eifer unb Aufopferungsfähigkeit für bie Gemeinbe. Auf biese Weise 
verlernten es die Bürger nach und nach, sich selbst zu helfen; ein jeder er-
	        
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