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nehmen an einer einheitlichen Oberleitung und einer hinreichenden
Kriegszucht. An dem oft römischen Kaiser fanden sie nicht die
Unterstützung, welche sie erwartet hatten; Krankheiten, Entb ehrungen
aller Art und das Schwert der Feinde hatten die Scharen der
Kreuzfahrer schon stark gelichtet, ehe sie an ihrem Ziele anlangten. ^Dazn
kamen die durchweg unzulänglichen Mittel, sowie die Uneinigkeit, der
Neid und das Mißtrauen der morgenländischen Christen. "Die im
Morgenlande erworbenen Besitzungen bildeten keinen Einheits-,
sondern einen Vasallenstaat, über die der König von Jerusalem in
seiner Macht zn sehr beschränkt war; die einzelnen Staaten waren zudem
unter sich selber nicht enge genug verbunden und konnten deshalb den
feindlichen Anstrengungen nicht erfolgreichen Widerstand leisten. /Das
neue Königreich Jerusalem lag vom Abendlande, auf dessen
kräftige Unterstützung es fortdauerud augewiesen war. zu weit entfernt.
Dazu war der Transport zu kostspielig, die Begeisterung ließ nach, und
immer geringer wurde die Zahl derer, die Gut und Blut für die heilige
Sache zum Opfer zu bringen bereit waren.
Wenn nun auch die nächste Aufgabe, das heilige Land den Türken
zu entreißen, nicht gelöst wurde, fo haben die Kreuzzüge doch für die
verschiedensten mittelalterlichen Verhältnisse die weitgehendsten Folgen gehabt.
Durch den Verkehr mit dem Auslande wurde das National-
bewußtsein gestärkt, durch die Teilnahme an den Zügen der Ge-
sichtskreis erweitert. 'Die Frömmigkeit vertiefte sich, religiöse
Begeisternug, Unternehmungslust, Mut und Tapferkeit er-
hielten eine mächtige Anregung. Das Lebeu und der Lebensgenuß
wurden verfeinert, Kunst und Wissenschaft, an deren Förderung sich
jetzt auch die Laien beteiligten, blühten kräftig empor.
2. Die Päpste. Gewaltig hob sich das Ansehen der Päpste; von
ihnen ging die Anregung zu sast allen Kreuzzügen aus, päpstliche Ge-
sandte begleiteten und überwachten sie, die Päpste übertrugen Pflichten
und verliehen Rechte. Das Papsttum erhob sich über die weltlichen
Gewalten und nahm die höchste Stellung in der christlichen Welt ein.
Viele adelige Güter, die die Ritter verkauften und verpfändeten, um die
Kosten der Ausrüstung und der Teilnahme an den Kreuzzügen bestreiten
zu können, wurden von der Kirche und den Klöstern erworben; der
wachsende Reichtum wirkte aber nicht überall fördernd auf Zucht und Sitte.
3. Fürsten und Ritter. Die Hausmacht der Fürsten wurde
durch Einziehung solcher Lehen, deren Inhaber aus dem Morgenlande
nicht zurückkehrten, bedeutend vergrößert. Das Rittertum entwickelte
sich im Zeitalter der Kreuzzüge zur höchsten Blüte. Im Kampfe gegen