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Gegensatze zur Lehre der Kirche. Am 31. Oktober 1517 schlug er
an der Schloßkirche zu Wittenberg 95 Sätze oder Thesen an und forderte
gemäß der Sitte der Gelehrten damaliger Zeit zu einer öffentlichen Dis¬
putation auf. Wenn fich Luther in seinen Thesen auch gegen Mißbrünche
und Mißverständnisse im kirchlichen Leben richtete, so widersprachen doch
mehrere Sätze der Lehre vom Ablasse. Den Thesen Luthers stellte Tetzel
cm der Universität zu Frankfurt a. d. O. 106 Antithesen gegenüber, in
denen er die Lehre der Kirche über den Ablaß zum Ausdruck brachte und
insbesondere auf die Bedingungen hinwies, die bei Gewinnung eines Ab-
lasses erfüllt werden muffen.
b. Die Folgen des Ablaßstreites. Das Auftreten Luthers er-
regte überall ein gewaltiges Aufsehen; ganz Deutschland teilte sich schon
bald in zwei Lager, in dem einen waren Luthers Freunde, in dem an-
dern seine Gegner. Auf feiten Luthers standen die Augustiner, mit
Tetzel hielten es die Dominikaner: ein heftiger Mönchsstreit eut-
brannte. — Auch die beiden Hauptrichtungen auf dem Gebiete der Wiffen-
fchaft, die Scholastiker und Humanisten, mischten sich in den Streit;
an letzteren erhielt Luther feurige Verteidiger seiner Ansichten. Streit¬
schriften flogen von hüben und drüben, eine noch schärfer und gehässiger
als die andere; jeder Teil glaubte Recht zu haben.
Da das gewöhnliche Volk, besonders die Bauern, Luthers
Brief von der christlichen Freiheit falsch verstanden hatten, so
glaubten sie, in ihm den Retter gesunden zu haben, der sie von ihren
unerschwinglichen Abgaben unb harten Frondiensten befreien und ihnen
big Recht der Auflehnung gegen die Obrigkeit zuerkennen würde.
e. Vergebliche Versöhnungsversuche des Papstes. In Rom
legte man dem Streite in Deutschland anfangs wenig Gewicht bei, kam
aber bald zu der Überzeugung, daß es sich um mehr als eine Mönchs-
zänkerei handele. Der Papst rief Luther zur Verantwortung nach Rom,
aber ans Wunsch des Kurfürsten Friedrich des Weisen von Sachsen, an
dem Luther seine hauptsächlichste Stütze hatte, wurde der Kardinal 6a-
jetan mit der Untersuchung dieser Angelegenheit beauftragt. Im Jahre
1518 fand zu Augsburg zwischen ihm und Luther eine Zusammen-
knnst statt; eine Verständigung wurde aber nicht erzielt. Luther floh
heimlich aus Augsburg und hinterließ ein Entschuldigungsschreiben an
den Kardinal und ein zweites Schreiben „an den besser zu unterrich-
tenöcn Papst". Noch einmal versuchte der Papst, die Wirren durch
Milde beizulegen. Der päpstliche Gesandte Karl von Miltitz, ein
geborener Sachse, hatte mit Luther zu Altenburg eine Unterredung.