Full text: Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates und der Neuzeit seit dem Westfälischen Frieden (Teil 3)

52 Duncker: Charakter. 
festigten zu, auch wenn er in Einzelheiten gegen die geeichte Norm ver¬ 
stoßen sollte. 
Für die Gesundheit und den Frieden der Gesellschaft ist das Bestehen 
fester Worte im Bereich des sittlichen Verkehrs, was für den materiellen 
Wohlstand die nicht entwertbaren äußeren Dinge, beispielsweise der Grund 
und Boden, sind; in beiden Sphären, in der moralischen wie in der wirt¬ 
schaftlichen, überwiegen die flüssigen, die ihrem Wesen nach unbeständigen 
Elemente nur zu sehr die festen und zuverlässigen. Vertrauen zu einem 
Charakter fassen ist der solideste Anfang der eigenen Festigung; diese Er¬ 
fahrung ist bedeutender für unsere Entwicklung als die begeisterndsten An¬ 
regungen durch Worte und Gedanken; denn sie ist das Erleben des Be¬ 
weises, daß Gefühle und Anschauungen Fleisch und Bein, Kraft und Tat 
werden können. 
Für sein inneres Leben hat der, welcher bereits zum Charakter gediehen 
ist, in den Kämpfen, welche er dennoch bestehen muß, um seinen Charakter 
zu bewähren und zu behaupten, nicht nur die Hilfe, welche überhaupt jeder 
errungene Sieg in der nächsten Schlacht gewährt, erhöhtes Vertrauen zu 
sich selbst; er hat die Übung, ja man kann das vielgeschmähte Wort gebrauchen, 
die Gewohnheit zur Bundesgenossin. Wem das gewissen Prinzipien gemäße 
Meiden und Tun zur anderen Natur geworden ist, wer sich selbst nicht mehr 
anders kennt als unter der Macht jener Antriebe und Grundsätze, den be¬ 
fremdet jede Anwandlung, die ihn aus der Richtung zu bringen droht, 
und fast instinktmäßig geht er der Versuchung aus dem Wege. Welche 
Kraftzersplitterung, welche inneren Widerwärtigkeiten sind ihm damit erspart! 
Auch im Werden bereits erführt die Arbeit der Charakterfestigung manche 
Hilfe, die sie sich selbst verdankt; noch ehe der Bau so weit gediehen ist, 
daß das eigene Vertrauen in die glückliche Ausführung fest geworden, hat 
ein nach Konsequenz des Verhaltens Strebender bereits das Vertrauen 
anderer gewonnen; von diesem Vertrauen fühlt er sich angeblickt und gemahnt, 
bei seinem Namen gerufen in Momenten des Schwankens; er darf es nicht 
täuschen, nicht verlieren! Der Charakterlose weiß schon, daß man nicht auf 
ihn baut; die Pflicht gegen seine Gläubiger bindet ihn nicht; und bei welchem 
Namen soll man ihn anrufen und beschwören? 
Je weniger ein Charakter nur Bestätigung und Befestigung natürlicher 
Anlagen, je mehr er freie Gestaltung der sittlichen Persönlichkeit nach dem 
Urbilde ist, um so größer sein Wert. Nicht das ganze Naturell vermag der 
Wille zu bewältigen; selten wird die innerste Gefühlsweise eines Menschen 
sich ganz nach seinem Ideal umbilden, selten sein Temperament sich völlig 
wandeln. Aber es ist nicht unmöglich, daß Handlungsweise und Bezeigen 
sich völlig der sittlichen Überzeugung fügen lernen; ans einem schroffen
	        
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