Full text: Ausgewählte Abschnitte der Weltgeschichte, Einführung in die geschichtliche Lektüre (Teil 7)

— 150 — 
mehr konnte; „der Tag seines Todes", sagt Treitschke, „war der erste 
Rasttag seines Lebens". 
Aus dern Vernunftrecht erfloß dem König auch die R e ch t s - 
g l e i ch h e i t der Untertanen. „Vor der Justiz sind alle Leute 
gleich", schrieb er im Müller-Arnold-Prozeß, „es muß nur nach der 
Gerechtigkeit verfahren werden, ohne Ansehen der Person". Und ein 
andermal erklärte er: „Meine Schuldigkeit ist, die Gesetze zu unter¬ 
stützen, nicht aber sie umzuwerfen." Ihnen unterstellte er bedingungs¬ 
los auch die höchsten Kreise: „es mus derjenige, welcher insamien be¬ 
gehet, und wenn er vom Königlichem Geblüte wäre, bestraft 
werden!" Und wehe den Richtern, die es versucht hätten, das Recht 
zu beugen! 
Nicht minder unantastbar war ihm der Grundsatz der religiösen 
Duldung. „Die Religionen", so entschied er gleich im Jahre 
seiner Thronbesteigung, „müssen alle tollerieret [geduldet] werden und 
muß der Fiscal ^Staatsvertreter^j nuhr das Auge darauf haben, daß 
keine der andern abruch tuhe, den hier mus ein jeder nach seiner 
Fasson selich werden". Uns erscheinen solche Gedanken als selbst¬ 
verständlich, aber damals waren sie es nicht; sie klangen vielmehr 
unerhört im Munde eines Fürsten und erregten das Staunen der 
Zeitgenossen. 
So machte Friedrich Preußen zum ersten europäischen Rechts- 
st a a t e. Zugleich vollendete er aber durch seine auf strenge Ordnung 
gerichtete Verwaltung die st a a t l i ch e E i n h e i t der Monarchie. 
Und wie hat er über alle Zweige der Verwaltung gewacht, 
alle Gebiete des Volkslebens, alle Stände und Tätigkeiten, Schule 
und Bildung, Handel und Gewerbe, Industrie und Landwirtschaft, 
gefördert! Unendlich vieles ist darüber geschrieben worden. Wie 
ein roter Faden zieht sich vor allem die Sorge für die Armen, die 
wirtschaftlich Schwachen und Unmündigen durch seine ganze Regie¬ 
rung. Ihr Vormund wollte Friedrich sein, und so war er in Wahr¬ 
heit ein sozialer König. 
Wie er insbesondere mit vollen Händen nach dem Siebenjährigen 
Kriege gab, um der bedrängten Armut aufzuhelfen, bleibt ihm allezeit 
unvergessen. 
Fassen wir des Königs Regierungskunst in einem Überblicke 
zusammen, so schildert sie uns niemand besser als der oben genannte 
Gustav F r e y t a g: 
„Die ersten dreiundzwanzig Jahre seiner Regierung hatte Friedrich der 
Große gerungen und gekriegt, seine Kraft gegen die Welt durchzusetzen; noch 
dreiundzwanzig Jahre sollte er friedlich über sein Volk herrschen als ein weiser 
und strenger Hausvater. Die Ideen, nach denen er den Staat leitete, mit 
größter Selbstverleugnung, aber selbstwillig, das Größte erstrebend und auch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.