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das Kleinste beherrschend, sind zum Teil durch höhere Bildungen der Gegen¬
wart überwunden worden; sie entsprachen der Einsicht, welche seine Jugend
und die Erfahrungen des ersten Mannesalters ihm gegeben hatten. Frei
sollte der Geist sein, jeder denken, was er wollte, aber tun, was seine Bürger¬
pflicht war. Wie er selbst sein Behagen und seine Ausgaben dem Wohle
des Staates unterordnete, mit etwa 600000 Mark den ganzen königlichen
Hanshalt bestritt, zuerst an den Vorteil des Volkes und zuletzt an sich dachte,
so sollten alle seine Untertanen bereitwillig das tragen, was er ihnen an
Pflicht und Last auflegte. Jeder sollte in dem Kreise bleiben, in den ihn
Geburt und Erziehung gesetzt; der Edelmann sollte Gutsherr und Offizier sein,
dein Bürger gehörten die Stadt, Handel, Industrie, Lehre und Erfindung, dem
Bauer der Acker und die Dienste. Aber in seinem Stande sollte jeder ge¬
deihen und sich wohl fühlen. Gleiches, strenges, schnelles Recht für jeden,
keine Begünstigung des Vornehnen und Reichen, in zweifelhaftem Falle lieber
des kleinen Mannes. Die Zahl der tätigen Menschen vermehren, jede Tätig¬
keit so lohnend als möglich machen und so hoch als möglich steigern, so wenig
als möglich vom Auslande kaufen, alles selbst produzieren, den Überschuß
über die Grenzen führen, das war der Hauptgrundsatz seiner Staatswirtschaft.
Unablässig war er bemüht, die Morgenzahl des Ackerbodens zu vergrößern,
neue Stellen für Ansiedler zu schaffen. Sümpfe wurden ausgetrocknet, Seen
abgezapft, Deiche aufgeworfen. Kanäle wurden gegraben, Vorschüsse bei An¬
lagen neuer Fabriken gemacht, Städte und Dörfer auf Antrieb und mit
Geldmitteln der Regierung massiver und gesünder wieder aufgebaut; das
landschaftliche Kreditsystem, die Feuerversicherung, die königliche Bank wurden
gegründet, überall wurden Volksschulen gestiftet, unterrichtete Leute angezogen,
überall Bildung und Ordnung des regierenden Beamtenstandes durch Prüfungen
und strenge Kontrolle gefördert. —
Auch auf das Volk selbst war etwas von diesem Geiste übergegangen.
Wir aber verehren darin ein unsterbliches Verdienst Friedrichs II. Noch jetzt
ist dieser Geist der Selbstverleugnung das Geheimnis der Größe des preußischen
Staates, die letzte und beste Bürgschaft für seine Dauer. Die kunstvolle
Maschine, welche der große König mit so viel Geist und Tatkraft eingerichtet
hatte, sollte nicht ewig bestehen; schon 20 Jahre nach seinem Tode zerbrach sie;
aber daß der Staat nicht zugleich mit ihr unterging, daß Intelligenz und
Patriotismus der Bürger selbst imstande waren, unter seinen Nachfolgern
auf neuen Grundlagen ein neues Leben zu schaffen, das war das Verdienst
Friedrichs des Großen."
23. Das Zeitalter der französischen Revolution und Napoleons.
Preußens Sturz und Erhebung.
Literatur: Mignet (französischer Geschichtschreiber), Geschichte der
französischen Revolution, Übersetzung bei Reclam, Mark 0.80; Lenz, Napoleon I.
Bielefeld, Belhagen, Mark 4.— ; v. Ranke, Die Erhebung Preußens im Jahre
1313 und die Rekonstruktion des Staates, bearbeitet von Kümmel, Reclam,
Mark 0.40; Neubauer, Stein, Kolbe, Blücher, Leipzig, Engelmann, Mark 2'
Leipzig, Hoffmann, Mark 2,40.