Full text: Ausgewählte Abschnitte der Weltgeschichte, Einführung in die geschichtliche Lektüre (Teil 7)

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das Kleinste beherrschend, sind zum Teil durch höhere Bildungen der Gegen¬ 
wart überwunden worden; sie entsprachen der Einsicht, welche seine Jugend 
und die Erfahrungen des ersten Mannesalters ihm gegeben hatten. Frei 
sollte der Geist sein, jeder denken, was er wollte, aber tun, was seine Bürger¬ 
pflicht war. Wie er selbst sein Behagen und seine Ausgaben dem Wohle 
des Staates unterordnete, mit etwa 600000 Mark den ganzen königlichen 
Hanshalt bestritt, zuerst an den Vorteil des Volkes und zuletzt an sich dachte, 
so sollten alle seine Untertanen bereitwillig das tragen, was er ihnen an 
Pflicht und Last auflegte. Jeder sollte in dem Kreise bleiben, in den ihn 
Geburt und Erziehung gesetzt; der Edelmann sollte Gutsherr und Offizier sein, 
dein Bürger gehörten die Stadt, Handel, Industrie, Lehre und Erfindung, dem 
Bauer der Acker und die Dienste. Aber in seinem Stande sollte jeder ge¬ 
deihen und sich wohl fühlen. Gleiches, strenges, schnelles Recht für jeden, 
keine Begünstigung des Vornehnen und Reichen, in zweifelhaftem Falle lieber 
des kleinen Mannes. Die Zahl der tätigen Menschen vermehren, jede Tätig¬ 
keit so lohnend als möglich machen und so hoch als möglich steigern, so wenig 
als möglich vom Auslande kaufen, alles selbst produzieren, den Überschuß 
über die Grenzen führen, das war der Hauptgrundsatz seiner Staatswirtschaft. 
Unablässig war er bemüht, die Morgenzahl des Ackerbodens zu vergrößern, 
neue Stellen für Ansiedler zu schaffen. Sümpfe wurden ausgetrocknet, Seen 
abgezapft, Deiche aufgeworfen. Kanäle wurden gegraben, Vorschüsse bei An¬ 
lagen neuer Fabriken gemacht, Städte und Dörfer auf Antrieb und mit 
Geldmitteln der Regierung massiver und gesünder wieder aufgebaut; das 
landschaftliche Kreditsystem, die Feuerversicherung, die königliche Bank wurden 
gegründet, überall wurden Volksschulen gestiftet, unterrichtete Leute angezogen, 
überall Bildung und Ordnung des regierenden Beamtenstandes durch Prüfungen 
und strenge Kontrolle gefördert. — 
Auch auf das Volk selbst war etwas von diesem Geiste übergegangen. 
Wir aber verehren darin ein unsterbliches Verdienst Friedrichs II. Noch jetzt 
ist dieser Geist der Selbstverleugnung das Geheimnis der Größe des preußischen 
Staates, die letzte und beste Bürgschaft für seine Dauer. Die kunstvolle 
Maschine, welche der große König mit so viel Geist und Tatkraft eingerichtet 
hatte, sollte nicht ewig bestehen; schon 20 Jahre nach seinem Tode zerbrach sie; 
aber daß der Staat nicht zugleich mit ihr unterging, daß Intelligenz und 
Patriotismus der Bürger selbst imstande waren, unter seinen Nachfolgern 
auf neuen Grundlagen ein neues Leben zu schaffen, das war das Verdienst 
Friedrichs des Großen." 
23. Das Zeitalter der französischen Revolution und Napoleons. 
Preußens Sturz und Erhebung. 
Literatur: Mignet (französischer Geschichtschreiber), Geschichte der 
französischen Revolution, Übersetzung bei Reclam, Mark 0.80; Lenz, Napoleon I. 
Bielefeld, Belhagen, Mark 4.— ; v. Ranke, Die Erhebung Preußens im Jahre 
1313 und die Rekonstruktion des Staates, bearbeitet von Kümmel, Reclam, 
Mark 0.40; Neubauer, Stein, Kolbe, Blücher, Leipzig, Engelmann, Mark 2' 
Leipzig, Hoffmann, Mark 2,40.
	        
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