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78 Anthologie mittelalterlicher Gedichte.
Doch nun begannen die Weisen
Die Eh' ihm anzupreisen:
Ein ehlich Weib, das fehl' ihm noch.
Uneinig war ihr Rat jedoch.
Da gab er ihnen den Bescheid:
Er wolle, schein' es an der Zeit,
Nach seinen Freunden senden,
Die Sache zu beenden.
Als alles nun beisammen war,
Der Magen und der Mannen Schar,
Da tät er ihnen die Sache kund.
Drauf sprach man wie aus einem Mund,
Es wäre recht und wäre Zeit.
Doch dann erhob sich großer Streit:
Vielköpfig war der Sprecher Sinn,
Und der riet her und jener hin,
Wie stets die Leute taten,
So oft es galt zu raten.
Als sie so stritten Mann für Mann,
Da hub der arme Heinrich an:
„Euch Herren ist gar wohlbekannt,
Wie's mit mir vor kurzem stand:
Die Krankheit hatte mich entstellt,
Ein Greuel war ich aller Welt.
Jetzt scheut mich weder Mann noch Weib:
Es ward mir ein gesunder Leib
1375 Auf unsers Gottes Machtgeheiß.
Nun rate, wer zu raten weiß,
Wie ich's dem vergelten kann,
Durch den ich Gottes Gnade gewann.“
Sie sprachen: „Euer Herz und Mut
Beschließe, daß ihm Gut und Blut
Ewig untertänig sei!“
Nun stand sein Trautgemahl dabei;
Er blickte liebevoll sie an,