Full text: Ausgewählte Abschnitte der Weltgeschichte, Einführung in die geschichtliche Lektüre (Teil 7)

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Also vor allem Sammlung! Wenn man ein Buch zur Hand 
nimmt, soll man auch mit seinen Gedanken bei dem Buch sein. 
Ja, noch mehr: „Während des Lesens", sagt ein neuerer Schulmann 
(Cauer), „sollst du dir einbilden, du wärest selber dabeigewesen!" 
Lies ferner in Muße, ohne Hast. Wer eine Gegend mit dem Schnell¬ 
zuge durchfährt, kann unmöglich ihre Schönheiten genießen; dem 
sinnigen Fußgänger aber, der offenen Auges um sich schaut, erschließt 
sich das Bild der Natur. Schon der römische Kaiser MarkAur4l, 
der Philosoph auf dem Throne, sagt im Eingänge seiner „Betrach¬ 
tungen", wo er mit Dankbarkeit von seinen Lehrern spricht: „Rusticus 
lehrte mich, was ich las, genau zu lesen und mich nicht mit einer 
oberflächlichen Kenntnis zu begnügen." 
Bevor man in die eigentliche Lektüre eintritt, unterrichte man 
sich im allgemeinen schon über den Inhalt; Inhaltsverzeichnis und 
Kapitelübersicht sind ein wichtiger und notwendiger Bestandteil 
jedes planmäßig angelegten Werkes. 
Die Lektüre selbst soll stets beginnen, wo auch das Buch beginnt: 
vorn. Ein wissenschaftliches Buch enthält auch einen folgerichtigen 
Gedankengang, und man wird daher den Verfasser auf dem Wege 
seiner Darstellung auch von Anfang an begleiten müssen. Lies also 
das Werk in der Ordnung, wie er es geschrieben hat, nicht bald hier, 
bald dort, sonst tust du ihm unrecht. Ein ernstes, würdiges Buch will 
auch ernst und in strenger Ordnung gelesen sein; für flatterhafte, 
flüchtige Leserei ist es nicht geschrieben. Dir selbst aber bringt ein 
oberflächliches Umherlesen, ein regellos beliebendes Lesen oder gar 
Vorwegnähme der Schlußkapitel mehr Schaden als Nutzen. 
Von besonderer Bedeutung für Geist, Richtung und Ziel eines 
Buches ist die E i n l e i t u n g. Sie enthält meist allgemeine Richt¬ 
linien, Grundzüge und Gesichtspunkte, die auf den Inhalt des näheren 
vorbereiten und ihn verständlich machen. 
Man soll übrigens ein Buch nie „in einem Zuge" lesen. Nichts 
wäre verkehrter als das. Es ermüdet den Geist und schmälert die 
Aufnahmefähigkeit. Größere Ruhepunkte finden sich in jedem Werke. 
Unterbrechung der Lektüre führt zu erneuter Vergegenwärtigung des 
Gelesenen und übt das Denken. 
Die Lektüre soll also schrittweise vorgehen; nur Ordnung 
und bedachtsames Fortschreiten im Lesen vermitteln die rechte 
geistige Aufnahme des Inhaltes. Doch braucht man dabei nicht gerade 
sklavisch am Buchstaben oder an der Zeile zu haften. Im übrigen 
merke man genau auf Gedankengang und Entwicklung; darauf 
kommt es für das Verständnis durchaus an. 
2. Denke bei derLektüre na d^Wer liest, ohne nach¬ 
zudenken", sagt Heinze, „hat im Kopfe nur ein Magazin von fremden
	        
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