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nichts anderes geschmückt als durch Reinlichkeit. Auch das Schwert, mit dem
er umgürtet war, die Bänder der Barbarensandalen und die Zügel seines
Pferdes waren nicht, wie bei den anderen Skythen [Hunnen], mit Gold oder
Edelsteinen oder anderen Kostbarkeiten geziert.
Als der Abend nahte, wurden Fackeln angezündet. Attila gegenüber
stellten sich zwei Barbaren auf und trugen Lieder vor, in denen sie seine
Siege und kriegerischen Heldentaten besangen. Auf sie richteten nun die Teil¬
nehmer ihre Blicke, und die einen ergötzten sich an den Gedichten, andere
wurden begeistert durch die Erinnerung an die Kämpfe, andere alffer, deren
Leib von Alter entkräftet und deren Mut zu ruhen gezwungen war, brachen
in Tränen aus.
Nach den Gesängen trat ein geistesschwacher Skythe auf, der sonder¬
bare, unsinnige Reden ausstieß und dadurch alle zuin Lachen reizte;
nach ihm der Maurusier Zerkon, und dieser versetzte durch seine Gestalt,
Stimme, Kleider und die von ihm vorgetragenen Lieder alle in Heiterkeit
Tenn er mengte Lateinisch, Hunnisch und Gotisch durcheinander. Alle brachen
in ein unauslöschliches Gelächter aus, nur Attila nicht. Denn dieser blieb
unbewegt, mit unverändertem Gesichtsausdruck, und nie sah man ihn etwas
sagen oder tun, was Heiterkeit zeigte. Nur als der jüngste seiner Söhne,
Ernak mit Namen, eintrat und sich neben ihn stellte, faßte er ihn an die
Wange und richtete zärtliche Blicke auf ihn. Als ich meine Verwunderung
anssprach, daß er auf seine übrigen Kinder weniger achte, da erzählte mir
der neben mir sitzende Barbar, welcher Lateinisch verstand, nachdem er mich
gebeten, nichts davon auszuplaudern: die Wahrsager hätten dem Attila
prophezeit, sein Geschlecht werde sinken, durch diesen Sohn aber sich wieder
erheben."
Im Jahre 450 brach Attila mit seinen Hunnen und dienst¬
pflichtigen Völkern zu einem großen Heereszuge gen Westen auf.
An der Marne, auf den katalaunischen, d.h. gotischen Feldern
A j^1 lieferte der kaiserliche Feldherr Aetius, der „letzte Römer",
im Verein mit Westgoten und Franken den wilden Scharen
die letzte große Schlacht des Altertums.
Männermordend war das Ringen der Völker; selbst in den
Lüften läßt die Sage, wie auf dem Gemälde Kanlbachs im Ber¬
liner Museum dargestellt ist, die Geister der Erschlagenen den
wilden Kampf fortsetzen. Der Westgotenkönig Theoderich I. fiel;
aber der letzte Ansturm feiner erbitterten Reiterscharen warf den
Hunnenkönig in seine Wagenburg zurück. In der Nacht zog
Attila eilig davon, und die Hunnen strömten wieder ostwärts.
Die katalaunische Völkerschlacht gehört zu den Entscheidungs¬
schlachten der Geschichte; das christlich-germanische Wesen des
Abendlandes ward durch sie gerettet. Im folgenden Jahre brach
die „Gottesgeißel" mordend und sengend in Oberitalien ein; auf
den Laguneninseln an der Adria verschanzten sich flüchtige Scharen
und legten den Grund zu Venedig. An einer Furt des Mincio