Full text: Die Neuzeit bis zur französischen Staatsumwälzung (Teil 5)

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Bei festlichen Gelegenheiten, z. B. Hochzeiten, öffnen sich be- 
sonders die Zunfthäuser zu Gelage und Tanz, und vergebens sucht 
der hochweise Rat durch „Luxusordnungen" dem Aufwände zu 
steuern. Ein Hauptereignis des Jahres ist das Schützenfest, 
wozu oft Abordnungen aus fremden Städten erscheinen. Meist wird 
mit der Armbrust nach einer Ringscheibe geschossen, Stadtpfeifer 
spielen mit Zinken, Hörnern und Pauken dabei auf, und aus der 
Festfreude erdröhnen weithin, wie noch heute, die eben erfundenen 
kleinen Mörfer oder „Katzenköpfe". 
§ 32. In einem Bürgerhause. „Die Verzierung der Zimmer", 
so schildert ein Zeitgenosse, „ist äußerst einfach und prachtlos. Tep- 
piche habe ich nur in zwei Häusern gesehen. Die vornehmste Beklei- 
dung der Gemächer ist Getäfel mit gotischem Schnitzwerk. Aber die 
braune Farbe des Nußbaumes und des Firnisses auf Tannenholz 
macht diese Gemächer düster, wozu die engen, niedrigen Fenster und 
die geringe Höhe der Stockwerke auch beitragen. Die Fußböden sind 
nur von einfarbigen gebrannten Steinen — die der Wohnstube aber, 
um sie warm zu halten, mit Holz belegt, ganz einfach, ohne die 
mindesten Verzierungen. An den Wänden werden Denksprüche in 
großen Charakteren (Buchstaben) hingeschrieben und mit bemalten 
Blumenkränzen eingefaßt. Der strenge Winter macht Wärme not- 
wendig; man bedient sich daher der großen (Kachel-)Ofen. Die 
Wände der Wohnstuben sind nach alter Art mit zinnernen Trink- 
gefäßen von allen Größen und Formen behängt, die immer wie neu 
aussehen müssen. Die Gerätschaften sind für die Dauer gemacht, 
wenig zahlreich, viel weniger prächtig, aber oft von gutem Geschmack. 
Für den täglichen Gebrauch sind in den Wohnzimmern längs der 
Wand und um einen großen Tisch herum lange Bänke für die Haus- 
Haltung hingestellt, wovon die oberste, für den Mann und die Frau 
des Hauses bestimmt, mit Tuch ausgeschlagen ist." 
„So einfach und haushälterisch die Speisen im täglichen Leben 
sind, so einfach ist auch das Tischgerät. Die Löffel find durchweg von 
Holz oder Horn. Von gleichem Stoff sind auch die Teller der Ge- 
meinen, die der Reichen von Zinn, wenigstens die des Hausherrn 
und der Hausfrau, die Schüsseln von verzinntem Kupfer, von Zinn 
oder gebrannter Erde, so auch die Trinkgefäße. Glas hat man zum 
täglichen Gebrauche nicht, deshalb sind die Flaschen von hartgebrann- 
tem Ton, die Becher hölzern oder von Zinn." 
§ 33. Die bürgerliche Bildung. Durch den Bücherdruck hat 
sich der Gesichtskreis des Bürgertums außerordentlich erweitert; 
die Bildung ist allgemeiner geworden. Es entstehen zahlreiche 
neue Schreib- und Leseschnlen, auch für Mädchen. Die alten Latein- 
schulen verlieren ihren kirchlichen Charakter. Manche Städte, be-
	        
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