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Die Gewerbtätigkeit, besonders Tnchmacherei und
Leinenfabrikation im Ravensbergischen, Eisenindustrie in der Graf-
schaft Mark in Westfalen, wurde durch Anlage von Werkstätten
oder mit baren Vorschüssen unterstützt. Arbeitsscheue ließ der Kur-
fürst wohl zwangsweise solchen „Manufakturen" zuführen. Verbote
gegen die Ausfuhr von Rohstoffen, z. B. Wolle, und gegen die Ein-
fuhr auswärtiger Erzeugnisse, z. B. Seide, sollten das heimische
Gewerbe schützen.
Für Handel und Verkehr schuf Friedrich Wilhelm eine
einheitliche kurfürstliche Münze; das Recht, Münzen zu schlagen,
wie es bis dahin vielfach von den Städten geübt war, hörte auf.
Den Handel suchte er möglichst von dem schwedischen Stettin abzu-
lenken, den Verkehr zwischen den Oder- und Elbgebieten in sein Land
zu ziehen; ein nach ihm benannter Kanal verband deshalb die Oder'
mit der Spree. Zwischen Memel und Cleve wurde die erste reitende
P o st eingerichtet; in zehn Tagen — über Königsberg, Berlin,
Magdeburg und Hamm — machte sie den weiten Weg von Osten
nach dem Rhein.
Um die Bildung zu heben, stiftete Friedrich Wilhelm für
die westlichen Landesteile eine Hochschule in Duisburg, und eine
„Pflanzschule für Schulmeister" tat sich in Wesel auf. In Berlin
entstanden eine Bibliothek, ein Museum und eine Buchhandlung.
§ 109, Über See. Mit weitschauendem Blicke strebte Friedrich
Wilhelm schon nach Anteil an dem Seehandel. Brachte der nicht den
Holländern und Engländern gar so reichen Gewinn? Mit Hilfe
des Holländers Benjamin Raule gründete er eine kleine Flotte,
ihr Standort wurde der Ostseehafen Pillau bei Königsberg. Als
ihm Spanien die Zahlung fälliger Vertragsgelder verweigerte, griff
sie wagemutig auf offenem Meere spanische Kriegsschiffe an und nahm
eins von ihnen weg. In Verbindung mit dem jungen Flottenwesen
entstand sogar nach dem Muster der großen englischen und hollän-
dischen Handelskompagnien eine „Afrikanische Handelsgesellschaft",
und an der Goldküste, in der Nähe des heutigen Togo, erhob sich als
erste deutsche Kolonie das befestigte Großfriedrichsburg.
Aber die Eifersucht der Holländer ließ das überseeische Unternehmen
nicht aufkommen. Auf die Dauer hatte der so ungünstig zum Welt-
meere gelegene Staat Brandenburg für sich allein, ohne Rückhalt
am Reiche, nicht die Kraft, eine erfolgreiche See- und Kolonial-
Politik zu treiben. Mit der Flotte verfiel die Ansiedlung, und König
Friedrich Wilhelm I. verkaufte sie um geringen Preis an die Nieder-
lande.
Erst mußte eine andere Zeit, eine Zeit, wie die unsrige, kommen,
um des Großen Kurfürsten weitblickende Pläne machtvoll zu erneuern.