Full text: Von der französischen Staatsumwälzung bis zur Gegenwart (Teil 6)

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In der Gefahr erhob sich die französische Republik als erster 
Staat zur Verkündigung der allgemeinen Wehrpflicht. 
Staunend sah Europa das unerhörte Beispiel einer „Levde en 
masse". „Jeder Einwohner", verkündete der Kriegsminister C a r- 
not, „gehört dem Kriegsdienst; die jungen Männer ziehen in den 
Kampf, die verheirateten schmieden Waffen und schaffen Lebens- 
mittel herbei, die Weiber sorgen für die Kleidung der Soldaten, und 
die Kinder zupfen Leinwand für die Verwundeten!" Von den Pyre¬ 
näen bis zu den Vogefen war Frankreich ein großes Kriegslager. 
Alle wehrhaften jungen Männer von 18 bis 25 Jahren strömten 
zu den Fahnen, die jedem auf dem Wege zu den höchsten Befehls- 
haberstellen voranflatterten. Aus Kirchenglocken wurden die Kanonen 
gegossen, die Reiterei saß auf Bauernpferden, und zerlumpt, selbst 
barfüßig marschierten die Rekruten unter den Klängen der Marseillaise 
ins Feld. Der Krieg mußte „den Krieg ernähren". Unter verwegenen 
jungen Generalen, die von Abgesandten des Konvents begleitet 
waren, drangen die Revolutionsheere unaufhaltsam vor. Sie warfen 
die Verbündeten über den Rhein zurück, stürzten in Holland die Herr- 
schaft des Kaufmannsadels und machten es zur batavischen 
(nach den alten germanischen Bewohnern des Landes benannten) 
Republik. 
1 *70^ Jetzt trat Preußen von der uneinigen Koalition zurück 
1 i «7O und schloß mit Frankreich den Sonderfrieden von Basel. 
Es verstand sich zur Neutralität, an der es bis 1806 festhielt, und über¬ 
ließ seine linksrheinischen Besitzungen den Franzosen; eine Scheide- 
linie sicherte das nördliche Deutschland fortan vor dem Kriege. 
Die französischen Heere drangen darauf in Süddeutschland 
gegen die Österreicher vor; der ausgezeichnete Erzherzog Karl, 
des Kaisers Bruder, trieb sie jedoch siegreich über den Rhein zurück. 
Die Entscheidung aber führte ein ganz anderer in Italien herbei 
— Bonaparte. 
Das Auftreten Napoleon Bonapartes. 
Napoleon Bonaparte, der gewaltige Sohn der Revolution, gehört 
als Feldherr und Staatsmann zu den außerordentlichsten Persönlich- 
leiten der Geschichte. Wie Cäsar, verband er mit einem durchdringenden 
Verstände die mächtigste Willenskraft, .die kühlste Besonnenheit 
und eine seltene Gabe der Herrschaft. 
Aber ein maßloser Ehrgeiz zehrte an seiner Seele; er trieb ihn zu furcht- 
barer Härte gegen alles Widerstreben, zur Rücksichtslosigkeit gegen Menschen 
und Nationen und machte ihn zum brutalen Eroberer. Sein Geist richtete 
sich bloß aus Macht und Erfolg und war ohne Verständnis für sittliche 
Größe; daran ist er zugrunde gegangen.
	        
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