Der Sturz Napoleons.
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C. Der Sturz Napoleons.
§ 36. Der Feldzng nach Rußland. Im Jahre 1812 kam es zum
Bruch zwischen Alexander und Napoleon, nachdem sich ihr Einvernehmen
von Jahr zu Jahr verschlechtert hatte. Alexander wollte die Kontinental-
sperre nicht in aller Schärft durchführen, da sie seinem eigenen Lande
schadete. Napoleon wollte ihn dazu zwingen, da er England sonst nicht
überwinden konnte, es sollte fortan nur ein Wille in Europa herrschen.
Er ftellte das größte Herr auf, das bis dahin jemals unter die Waffen
gerufen worden war (über 600000 Mann). Nur zum kleineren Teil
bestand es aus Franzosen, die Hauptkontingente brachten die linksrheini-
sehen Deutschen, die Staaten des Rheinbundes, die Italiener, Nieder-
länder und Polen auf. Preußen stellte ein Hilfskorps von 20000 Mann
und Österreich 30000 Mann. In drei Armeen geteilt, rückte die „Große
Armee" in Rußland ein. Die Nordarmee, bei der sich die Preußen
unter York befanden, marschierte unter Macdonald durch Kurland in
der Richtung auf St. Petersburg. Eine Südarmee bildeten die Öfter-
reicher unter dem Fürsten Schwarzenberg. Da aber die beiden Staaten
Österreich und Rußland in geheimem Einverständnis waren, wurde
zwischen ihnen nur ein Scheinkrieg geführt. Die Hauptarmee führte
Napoleon selbst. Im Mai fanden sich in Dresden der Kaiser von Öfter-
reich, der König von Preußen und sämtliche Rheinbnndsürsten bei ihm
ein, um ihn zu begrüßen.
Die Große Armee zog über Kowno und Wilna, traf bei Smo-
lensk auf die von Barclay de Tolly geführte russische Armee und schlug
sie; aber der Sieg war nicht entscheidend. Nach der Schlacht übernahm
Kntnsow den Oberbefehl über die Russen. Er wich vor Napoleon
zurück, dessen Heer unter den Strapazen unaufhörlicher Märsche, schlechter
Verpflegung und einreißender Unordnung stark zusammenschmolz, und
stellte sich ihm erst unter den Toren der Hauptstadt zur Schlacht. Bei
Borodiuo errang der Kaiser den Sieg nur unter großen Verlusten und
konnte den Gegner an einem geordneten Rückzug nicht hindern. Am
14. September zog er in Moskau ein.
In der Erwartung, daß Alexander jetzt um Frieden bitten werde,
sah sich Napoleon getäuscht. Alexander wurde von der national-rnssischen
Partei und von den Offizieren seiner Armee beschworen, nicht nachzugeben.
Ihre Bitten wurden durch den Freiherrn vom Stein unterstützt, der sich
bei Beginn des Feldzuges auf eine Einladung des Kaisers nach St. Peters-
bürg begeben hatte.
An dem Kampfe nahm das russische Volk erbittert Anteil. Wieder
begegnete Napoleon, wie in Spanien, einer Volksbewegung, die er nicht
überwältigen konnte. Die Russen sahen in ihm den Feind ihres heiligen
Landes und ihres Glaubens; da sie Moskau nicht verteidigen konnten,
verließen sie die Stadt und übergaben sie dem Feuer. Mitte Oktober
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