Full text: Preußische und deutsche Geschichte vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart (Teil 3)

Der deutsche Befreiungskrieg. 
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§ 38. Die Erhebung in Preußen. Als die Russen in Königsberg 
eingerückt und als Befreier aufgenommen worden waren, folgte ihnen 
Jork und übernahm seine frühere Stellung als kommandierender General 
der Provinz von neuem. Unter der Führung patriotischer Männer, wie 
des Oberpräsidenten von Schön, der Grafen Auerswald und Dohna, 
trat der Landtag in Königsberg zusammen, um darüber zu beraten, 
welche Opfer sie jetzt für König und Vaterland bringen könnten. Auf den 
Vorschlag Jorks wurde beschlossen, ein Landwehrkorps zu errichten, die 
Freiwilligen zu den Waffen zu rufen und außerdem einen Landsturm 
zu bilden. So gab die Provinz das erste Beispiel zu der Erhebung des 
Volkes gegen die Fremdherrschaft. 
Am 22. Januar begab sich Friedrich Wilhelm III. von Potsdam, 
wo seine Sicherheit gefährdet war, nach Breslau. Hier erließ er den 
Aufruf zur Bildung freiwilliger Abteilungen. Zwischen Preußen 
und Rußland wurde in Kalisch ein Bündnis zu gemeinsamer Fortfüh¬ 
rung des Krieges abgeschlossen. Im März traf Kaiser Alexander, mit 
Jubel empfangen, in Breslau ein. Am 17. März erließ der König den 
ewig denkwürdigen „Aufruf an Mein Volk". „Es ist", so schloß er, 
„der letzte entscheidende Kampf, den wir bestehen für unsere Existenz, 
unsere Unabhängigkeit, unseren Wohlstand. Keinen anderen Ausweg gibt 
es, als einen ehrenvollen Frieden oder einen ruhmvollen Untergang; auch 
diesem würdet ihr getrost entgegengehen, um der Ehre willen, weil ehrlos 
der Preuße und Deutsche nicht zu leben vermag. Allein wir dürfen mit 
Zuversicht vertrauen: Gott und nnfer fester Wille werden unserer gerechten 
Sache den Sieg verleihen, mit ihm einen sicheren glorreichen Frieden und 
die Wiederkehr einer glücklicheren Zeit." 
An demselben Tage ergingen die Aufrufe „Art Mein Kriegsheer" 
und zur Bildung der Landwehr und des Landsturmes. Auch wurde 
in jenen Tagen der Orden des Eisernen Kreuzes gestiftet. 
Schon strömten von allen Seiten Freiwillige zu dem Kampfe zu- 
sammeu. Das Volk war in den Jahren der Fremdherrschaft ein anderes 
geworden, entschlossen, das Joch der Knechtschaft abzuschütteln und für die 
Leiden, die der Sieger ihm auferlegt hatte, Vergeltung zu üben. Die 
Begeisterung war in jenen Frühlingstagen der Erhebung allgemein, der 
Unterschied der Stände verschwand, „das eine große Gefühl des Vater- 
landes und seiner Freiheit und Ehre verschlang alle anderen Gefühle". 
Die Sänger der Freiheit riefen zu dem heiligen Kampf auf: Arndt, 
Stägemann, Schenkendorf, Rückert, Theodor Körner. Hein- 
rich von Kleist, der die österreichische Erhebung 1809 mit seinen Liedern 
begleitet hatte, erlebte diese Tage nicht mehr. 
Preußen vollbrachte eine ungeheure Leistung, es stellte ungefähr 
270000 Mann ins Feld — bei einer Bevölkerung von. 5 Mill. Einwohnern 
bedeutet das einen Streiter auf 18 Seelen! —, teils Linientruppen, teils 
Landwehr, doch fehlten anfangs Uniformen, Waffen und Geld. Ohne englische 
Unterstützung konnte ein großer, lange dauernder Krieg nicht geführt werden.
	        
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