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und bei seinem Leben, keim erfreuliche Frucht getragen. Ja! 
am Ende seiner, so glanzenden, Laufbahn mußte er selbst mit ei¬ 
nem Federstriche sein mühevolles Werk vernichten und tiefbegründe- 
ter und gerechter Gram über dieses furchtbar schmerzliche Verkannt- 
werden war es, der ihm früher der Ruhestätte zuführte, als es 
sonst der Fall gewesen sein würde. 
„Aber, wie ist das möglich?" — werdet Ihr fragen, meine 
Lieben! — „dieser edle, menschenfreundliche Fürst nicht geliebt? Wir 
dächten doch, daß ihn seine Unterthanen hätten recht herzlich lieb 
haben sollen, da er es ja! so gut mit ihnen meinte. Das ist ja! 
recht undankbar und grausam!" — 
Ja wohl, meine lieben, kleinen Freunde! Ihr habt ganz Recht. 
Es ist das Bitterste für einen Vater, der sich für seine Kinder auf¬ 
geopfert hat, wenn sie es ihm dann nicht ein Mal danken. Auf 
welche Weise sich aber Kaiser Joseph dieses traurige Loos zuzog, 
das will ich Euch jetzt möglichst klar zu machen suchen. 
- Als Joseph in den vollen Besitz seiner Erbstaaten trat, war er 
40 Jahr alt, gesund, voller Feuer, Gebieter über mehr, als 22 Mil¬ 
lionen Menschen und über eine vortreffliche Armee. Ganz Europa 
hatte seine Blicke auf ihn gerichtet, sein Volk betete ihn an und nur 
der inländische Adel und die Geistlichkeit glaubten, ihn fürchten zu 
müssen, weil er bald, mit seinem scharfen, Hellen Blick, entdeckte, 
wie ein früherer Gang der Begebenheiten die Lebensgüter ungleich 
vertheilt hatte, da doch, nach seiner Ansicht, Allei im Volke gleiche 
Rechte und gleiche Lasten tragen sollten. Da hatten denn freilich die 
bisher Bevorrechteten, wozu der Adel und die Geistlichkeit vor 
Allen gehörten, wenig von ihm zu erwarten. Er zog sich auch, 
durch die Meisten seiner Verfügungen und Einrichtungen, die zum 
Lheil sehr beifallswürdig waren, den Haß der Großen und der Geist¬ 
lichkeit aufs unbedingteste zu; aber selbst unter den niederen. Stän¬
	        
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