Full text: Deutsche Geschichte der Neuzeit (Teil 2)

Friedrich Wilhelm I. 1713—1740. 
Er war ein König, dem die Pflicht über alles ging. In rast- 
loser Tätigkeit verflossen ihm die Tage; er war, wie er selbst sagte, „sein 
eigener Finanzminister und Feldmarschall"; sür die großen und ebenso für 
die kleinen Angelegenheiten des Staatslebens hatte er ein Auge. Auf all- 
jährlichen Reisen überzeugte er sich von dem Stande der Dinge in den ver- 
schiedenen Provinzen und prügelte wohl einen faulen Torwächter selbst aus 
dem Bette. Die Bemerkungen, die er an den Rand der ihm vorgelegten 
Schriftstücke schrieb, legen noch heute von seiner unermüdlichen Arbeitskraft 
und seiner Kenntnis aller Einzelheiten der Verwaltung Zeugnis ab. Freilich 
vertrug er keinen Widerspruch; „Räsonnieren" duldete er nicht; er war 
eigenwillig, oft jähzornig und zuweilen von furchtbarer Härte. Aber er 
war schlicht und tüchtig, kein Nachahmer ftanzösischer Unsittlichkeit, wie es 
damals so viele deutsche Fürsten waren; er war sparsam und streng gegen 
sich selbst; er war fromm; er war endlich auch gut deutsch gesinnt. 
„Meinen Kindern", sagte er einmal, „will ich Pistolen und Degen in die 
Wiege geben, daß sie die fremden Nationen aus Deutschland helfen abhalten"; 
und: „wenn die Franzosen ein Dorf in Deutschland attaqnierten, so müßte 
das ein Coujon von einem deutschen Fürsten sein, welcher nicht den letzten 
Blutstropfen daran wagte, stch dagegen zu setzen". 
§71. Friedrich Wilhelms Heeresorganisation. Um das Heer- 
wesen hat sich Friedrich Wilhelm I. solche Verdienste erworben, daß er 
als Schöpfer der preußischen Armee bezeichnet werden darf. Denn er ver- 
mehrte sie nicht nur bis auf mehr als 80 000 Mann, obwohl Preußen öeJ^^ng 
damals nur eine Bevölkerung von 2y2 Millionen hatte; er gab ihr auch die 
Durchbildung, die Mannszucht, die Einrichtungen, auf denen zu einem Teile 
die Siege Friedrichs des Großen beruhen. Er liebte seine Soldaten, fetne 
„blauen Kinder", so streng er sie auch behandelte; mit besonderer Zärtlichkeit 
war er seinem Leibgrenadierregiment zugetan, dem Regiment der „langen 
Kerls", die aus aller Herren Länder für schweres Geld angeworben worden 
waren und die der König auf dem Schloßplatze in der Soldatenstadt Potsdam 
selbst zu kommandieren pflegte. Friedrich Wilhelm war der erste preußische 
König, der immer Uniform trug; er fühlte sich am liebsten als Kamerad 
seiner Offiziere. Um die Ausbildung des preußischen Offizier st andes ®erft^äters 
hat er die größten Verdienste; er ernannte sie alle selbst, was noch der Große 
Kurfürst nicht getan hatte, und gründete Kadettenhäuser, wo junge Edelleute 
für die Offizierslaufbahn ausgebildet wurden. Denn dem Adel entstammte 
fast das ganze Offizierkorps; von nun an wurde der brandenburgisch- 
preußische Adel, der noch zur Zeit des Großen Kurfürsten sich so oft auf- 
sässig gezeigt hatte, ein Offiziersadel mit treu monarchischer Gesinnung.
	        
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