Full text: Die Zeit der Umwälzungen (H. 4)

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I. Die Zeit der Französischen Revolution und Napoleons I. 
§ 111. 
§ 111. Napoleons Krieg gegen Rußland, 1812. 
1. Ursachen. Das Einvernehmen zwischen dem französischen und dem 
russischen Kaiser war schon seit 1809 getrübt (vgl. § 110, 5). Durch die 
Vergrößerung des Herzogtums Warschau im Schönbrunner Frieden und 
die Vertreibung des Herzogs von Oldenburg, eines nahen Verwandten 
des russischen Kaiserhauses, hatte Napoleon seinen russischen Verbündeten 
schwer gereizt. Als nun die Forderung Napoleons, die Festlandsperre 
schärfer zu beobachten, durch Erleichterung der Einfuhr englischer Waren 
beantwortet wurde, entschloß er sich zum Kriege. 
2. Vorbereitungen. Er bewog Osterreich zu einem Bündnis, und 
auch Preußen mußte sich ihm anschließen, um nicht vernichtet zu werden. 
Das Heer, das er zusammenbrachte, zählte mehr als eine halbe Million; 
nur der vierte Teil bestand aus Franzosen, die übrigen waren Deutsche, 
1812. Niederländer, Polen und Italiener. Im Mai sammelte er auf einem 
Fürstentage in Dresden seine Vasallen um sich, und erst Ende Juni 
rückte die „Große Armee" in Rußland ein. 
3. Der Zug nach Moskau. Während das österreichische Hilfskorps 
unter Schwarzenberg in das südliche Rußland eindrang und ein Nord- 
Heer, zu dem die Preußen unter Aorck gehörten, in die Ostseeprovinzen, 
zog Napoleon selbst mit dem Hauptheere möglichst schnell auf Moskau 
los, ohne anfangs ernstlichen Widerstand zu finden. Trotz umfassender 
Vorkehrungen litten die Soldaten sehr unter der Schwierigkeit der Ver- 
pflegung. Die Gegenden, durch die das Heer kam, waren verlassen, die 
Vorräte entfernt. Bei Smolensk (Karte Nr. 11) schlug es ein feindliches 
Heer zurück, und nach der blutigen Schlacht an der Moskwa, die eben- 
falls mit einem Rückzüge der Russen endete, zogen die 100000 Mann, 
die noch übrig waren, Mitte September in Moskau ein. Die Stadt 
war fast menschenleer und wurde in den nächsten Tagen durch zurück- 
gebliebene Russen in ein Flammenmeer verwandelt. 
4. Der Rückzug. Dadurch sah sich Napoleon genötigt, dem in Peters- 
bürg weilenden Zaren Friedensanträge zu machen. Aber auf Steins 
Rat wurden die Verhandlungen von Alexander in die Länge gezogen und 
schließlich abgebrochen, so daß dem bei den Trümmern von Moskau lagernden 
Heere nichts übrig blieb, als Mitte Oktober den Rückzug zu versuchen. 
Durch früh eintretende scharfe Kälte mit Schneestürmen, durch Hunger und 
Krankheiten, durch die fortwährenden Angriffe der Russen und Kosaken ging 
fast das ganze Heer zugrunde. Besonders verlustreich war der Übergang 
über die Beresina, wo die Franzosen auf zwei von ihnen erbauten Brücken 
in Unordnung hinüberdrängten, während die Russen ein wirksames Feuer 
auf sie richteten. Der Kaiser ließ den elenden Rest seines Heeres im Stich 
und eilte in einem Schlitten nach Paris, um ein neues Heer auszurüsten.*) 
*) Durch die Zeitungen ließ er verkünden, die Große Armee sei vernichtet, die 
Gesundheit Sr. Majestät aber niemals besser gewesen.
	        
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