Das Amt des Majordomus in der Familie der Pippiniöen. §§ 57—58. 47
Königsgeschlecht, und Vater und Sohn büßten den Versuch mit dem Leben.
Der Mannesstamm Pippins des Älteren war dahin, aber eine semer Töchter
(spätere Nachrichten nennen sie Begga) war mit Ansegisel vermählt, dem
Sohne des Bischofs Arnulf von Metz, der an Macht und Einfluß tote an
Adel des Geschlechts — auch er war ein Franke, kein Romane — den
Pippiniden nicht nachstand. Aus dieser Ehe entsproß Pippin der Mittlere,
der die gesamten Güter des Geschlechts erbte und in dem sich immer selb-
ständiger entwickelnden Austrasien die Macht und Stellung etnes Herzogs
erlangte. Dieser wagte den Krieg gegen den König und den Majordomus
von Neustrien, schlug sie bei Ter tri in der Nähe von St. Quentin (687),
ward dann Majordomus des gesamten Frankenreiches und nannte sich schon
Herzog und Fürst (dux et princeps) der Franken. Aber er schonte, durch das
Beispiel seines Ahnherrn belehrt, die königliche Würde der Merovinger und
begnügte sich damit, die königliche Macht zu besitzen. Diese gewann nach fernem
Tode sein Sohn K arl, den man später Martell, d. i. der Hammer, nannte,
freilich erst nach harten Kämpfen; war er doch von seinem Vater gar-
nicht zum Nachfolger ausersehen worden. Gegen seine Stiefmutter, die ihn
sogar eine Zeit lang gefangen hielt, gegen die heidnischen Friesen, gegen die
Herzöge der vom Frankenreiche abhängigen Völker, der Aquitanier,Alamannen,
Bayern und Thüringer, die die Zeit der Verwirrung benutzen wollten, sich
frei zu machen, mußte er schwere Kämpfe bestehen. Es schien, als sollte mit
dem Sinken des merovingischen Königtums auch das Frankenreich wieder in
Stämme und Völkerschaften auseinanderfallen. Aber Karl setzte eine neue
Gewalt an Stelle des ohnmächtigen Königtums; die Friesen unterwarf er,
und wenn es ihm auch nicht gelang, die Alamannen und Bayern in das alte
Abhängigkeitsverhältnis zurückzubringen, so erzwang er sich doch auch bei
ihnen wie bei den anderen deutschen Völkerstämmen Ansehen, und er und
sein Geschlecht waren bald dem Frankenreiche mehr, als ihm die Merovinger
je gewesen waren.
§ 58. Die Araber nämlich, von ihrer neuen Religion begeistert, hatten
sich, wie wir gesehen haben, im Fluge von ihrer wüsten Halbinsel über
Ägypten und Nordafrika verbreitet; von da aus hatten sie 711 das West¬
gotenreich gestürzt und fast ganz Spanien erobert (§ 41). Schon 720 hatten
sie dann nördlich der Pyrenäen festen Fuß gefaßt, und die Bemühungen des
Herzogs Eudo von Aquitanien, gegen Karl seine Unabhängigkeit zu wahren,
erleichterten ihnen die weitere Ausdehnung ihres Gebietes. Jetzt griff der
Emir Abderrhaman den Eudo selbst an. Besiegt rief dieser Karl zu Hilfe.
Zwei jugendlich kräftige Völker, zwei noch in der Entwicklung begriffene
Religionen begegneten sich: es mußte die gewaltigsten Folgen haben, ob
arabisch-mohammedanisches, ob germanisch-christliches Wesen den Sieg davon-
tragen würde. Karl bot die gesamte Streitmacht des Frankenreichs, vor
allem die Austrasier, d. h. die rein deutschen Stämme des Reichs, auf.
Unfern von Poitiers kam es 732 zu einer großen Schlacht, die an Furcht-
barkeit und Bedeutung kaum der großen Hunnenschlacht auf den Katalau¬
nischen Feldern nachstand: sechs Tage lang rangen die Heere gegeneinander,
endlich am siebenten behauptete Karl den Sieg: er war der Retter des abend¬
ländischen Christentums und der germanischen Selbständigkeit geworden.
Später rang er den Sarazenen auch die Gegenden an der unteren Rhone
ab, die sie mit Hilfe aufständischer burgundischer Großen lang besetzt
gehalten hatten, indem er Avignon wieder eroberte und sie noch einmal —
bei Narbonne — schlug (737). Aber sie aus ganz Gallien zu vertreiben ver-